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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und von der Verwaltung des ewigen Hohenpriestertums empfangen wir beim Annahen in’s Heiligtum des Sakramentes die glaubwürdige, himmlische Botschaft. Da ist es, wie wenn sich der Tempel der Ewigkeit bis herein in die Zeit erstreckte, wie wenn die Feier des Sakramentes selbst zu dem himmlischen Heiligtum gehörte, wie wenn uns bei derselben nur eine schmale Scheidewand von dem erhabenen Orte trennte, wo Christus, der Allgegenwärtige, Sein ewiges hohenpriesterliches Amt vollzieht. Himmel und Erde schließen sich bei den Sakramenten zusammen, und wir haben ohne Zweifel Ursache, darüber besonders fröhlich und freudig zu sein.

 Bei dem bisher Gesagten haben wir noch nicht Gelegenheit gefunden, den Zusammenhang der Worte: „das Blut JEsu Christi wird unser Gewißen reinigen von den todten Werken, zu dienen dem lebendigen Gotte,“ etwas stärker zu betonen. Die todten Werke sind doch jedenfalls keine andern, als die von uns im Zustande des geistlichen Todes vollbrachten Werke. Todte Werke sind diejenigen, die keine Zeichen vorhandenen göttlichen Lebens sind, keinen Samen des ewigen Lebens in sich tragen. Von diesen Werken des Unglaubens und der nächtlichen Finsternis, die auf dem Gewißen wie Grabsteine lasten, sollen wir befreit werden und dagegen Lust und Freude bekommen, unser ganzes Leben zu einem Gottesdienste werden zu laßen. Das Blut, das uns reinigt, stärkt uns auch auf eine unbegreifliche Weise und nährt unser inneres Leben, so daß wir dann Muth und Kraft gewinnen, dem Gott auf Erden zu dienen, Deßen ewiger Hoherpriester uns mit den Geschäften seines Hohenpriestertums im Himmel dient. So geht dann durch die Kraft des Blutes JEsu mit der Entsündigung die Heiligung Hand in Hand, und es muß uns dadurch die Wirkung des Blutes Christi auf Erden nur desto größer und mächtiger erscheinen. Verleihe nur der barmherzige HErr, daß diese Macht und Größe nicht bloß von unserm Verstande aufgefaßt, sondern auch von uns innerlichst erfahren werde, da ja allerdings das Wißen nicht hilft, sondern allein die Aufnahme und Anwendung deßen, was wir lernen, in unser Gemüth und Leben.

 Den HErrn in Seinem ewigen Hohenpriestertum im Himmel hat uns unser Text gezeigt; ebenso sahen wir in den zwei zuletzt betrachteten Versen die Wirkung des Hohenpriestertums Christi auf Erden in den Herzen Seiner Heiligen. Da nun aber die Menschen nicht erlöst sind, um immerzu im dornenreichen Leben dieser Welt zu wandeln, im Gegentheil der Ort, wohin JEsus Christus vorangegangen, auch der Ort der Versammlung für Seine Gläubigen ist; so muß uns auch das Herz ruhig gemacht werden in Anbetracht der Heimkunft zu Ihm, welche ohne Zweifel selbst wieder eine Wirkung des hohenpriesterlichen Amtes JEsu ist. Diese Beruhigung empfangen wir aber im letzten Verse unsers Textes. Da heißt es: „Darum ist Er auch ein Mittler des Neuen Testamentes, auf daß durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Uebertretungen, die unter dem ersten Testamente waren, die so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfahen.“ Also geschehen ist der Erlösungstod, gefunden eine ewige Erlösung, gesühnt sind die Uebertretungen, die unter dem Alten Testamente geschahen, gelungen ist die Mittler- und Hohenpriesterschaft und des HErrn Werk ist hinaufgegangen zum Siege. Nun gehen die Boten aus mit den heiligen Gnadenmitteln und tragen so Juden wie Heiden, die Kraft des Blutes JEsu, die göttliche Entsündigung und Beruhigung ihrer Seelen an. Damit wird zugleich alle Welt berufen zum ewigen Erbe, und die Berufenen sollen das ewige Leben empfangen. Was das ewige Leben sei, ist allerdings bis jetzt noch nicht erschienen; aber den weiten und hohen Namen können wir uns mit allen den Einzelheiten ausfüllen, welche die heilige Schrift von dem ewigen Glücke der Seligen so reichlich enthält. Es ist ja nicht wahr, was manche behaupten, daß die Schrift nur kärglich über das ewige Leben rede, und man könnte einer solchen Behauptung gegenüber ebenso wohl die andere setzen, daß über keinen andern Gegenstand so viel geredet und offenbart ist, als gerade über das ewige Leben. Es ist aber auch gar nicht nöthig, den Ausdruck „das verheißene, ewige Erbe“ ins Einzelne zu deuten. Diese Worte reden selber, wenn auch ganz allgemein, dennoch so klar, daß wir an ihnen, wie an dem Scheine einer lichten Wolke den Pforten der Ewigkeit entgegen gehen können. Ein Erbe, ein ewiges Erbe ist uns durch die Kraft der Versöhnung unsers Erlösers zugewendet, so viel hören wir, und das ist an und für sich selbst schon mehr, als

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/219&oldid=- (Version vom 1.8.2018)