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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

auf eine bestimmte Zeit, auf eine bestimmte Feier hinweist, und uns in der Ueberzeugung bestärken kann, daß St. Paulus mit seinen Heidenchristen bereits ein christliches Passahfest, ein neutestamentliches Ostern gefeiert habe. Allerdings gewinnt in der Darstellung unsres Textes dies Osterfest St. Pauli ganz die Gestalt eines Abendmahlsfestes. „Unser Passahlamm ist geschlachtet,“ nemlich am Charfreitag. „So laßt uns Fest feiern, Ostern halten,“ das ist, das Gedächtnis der Aufopferung JEsu im österlichen Sacramente begehen. Allein, meine lieben Brüder, wenn auch in unserm abendländischen Bewußtsein bei der Osterfeier hinter dem Gedanken der Auferstehung der Gedanke des heiligen Abendmahles zurücktritt, so mahnt uns doch eben unsre Epistel, ihn mit dem Gedanken der Auferstehung vielmehr zu verbinden. Ohne die Auferstehung Christi kein Abendmahl. Wär’ Er nicht erstanden, so würde niemand seine Stiftung geehrt und ein Abendmahl gehalten haben. Erst nachdem Er in der Auferstehung als Gottes ewiger Sohn und unser Hoherpriester erwiesen ist, dazu als das Gott angenehme Passahlamm, gewinnen alle Seine Worte und alle Seine Werke, in der Zeit Seines Fleisches gethan, Kraft und Leben. In Kraft Seiner Auferstehung feiert man das Abendmahl und in das Abendmahl herein strömt die Kraft des Todes und der Auferstehung unsres Passahlammes Christus. Daher ist auch des Ostertages höchste, fröhlichste Feier von alten Zeiten her, ja wie unser Text zeigt, von Anfang her, die Feier des Abendmahles JEsu, der da todt war und ist wieder lebendig geworden, der uns auch nicht bloß reichet den Leib Seines Todes, sondern den Leib der Auferstehung und das lebendige, unverwesliche Blut, in beiden aber eine Speise und Arzenei des ewigen Lebens.

 Ist nun das Osterfest ein Fest des Abendmahles des Auferstandenen, so laßt uns nun auch einmal sehen, wie wir es nach der Lehre St. Pauli begehen, wie die Gemeinden an Ostern das Abendmahl eßen und feiern sollen. Alles, was wir darüber lernen werden, wird dann zugleich für die gesammte österliche Lebenszeit der Abendmahlsgemeinde und für jeden Abendmahlsgenuß maßgebend sein, der auch nicht in die Zeit der Ostern fällt.

 Auch bei dieser Anweisung schließt sich der Apostel ganz an die alttestamentliche Passahfeier an. Von dem eigentlichen Passaheßen, dem Passahlamm selbst, ist allerdings keine Rede: das Lamm ist Christus, im Abendmahle gegeßen. Dagegen aber hat das alttestamentliche Passahmahl auch geringere Nebenspeisen gehabt: insonderheit die ungesäuerten Kuchen, welche zum Lamm gegeßen werden mußten. Diese Verbindung der ungesäuerten Kuchen mit dem Lamm ist es, auf welche der Apostel in unserem Texte zumeist sieht. Mit dem Lamme, der himmlischen Speise, vereinigt sich das ungesäuerte Brot, die irdische Speise. Wie nun das Lamm die Himmelsspeise bedeutet, die uns im Sakramente gegeben wird: so fragt es sich nun, was durch die menschliche Speise bedeutet wird, die wir unter dem ungesäuerten Brote zu suchen haben. Diese Frage aber löst uns unser Text mit voller Sicherheit. Das ungesäuerte Brot bedeutet die Gemeinde, welche im Sakramente mit Christo, ihrem Passahlamm, verbunden wird. Wäre das nicht der Fall – so würde der Apostel nicht sagen können: „Feget den alten Sauerteig aus, auf daß ihr ein neuer Teig seid, gleichwie ihr ungesäuert seid.“ Da ist also nichts anderes gesagt, als: die Gemeinde ist der Teig, das Brot, entweder gesäuert oder ungesäuert, neu oder alt. Diese von dem heiligen Apostel gegebene Deutung ist nicht etwa bloß ein willkührliches, menschliches Gleichnis, sonst würde es für die Korinther keine schlagende Kraft haben, sondern sie ist die Offenbarung des Inhaltes, welcher im alttestamentlichen Vorbilde verborgen war. Gleichwie, um mit dem Kirchenvater und der Abendmahlsvermahnung zu reden, aus vielen Körnlein ein Brot zusammen gebacken wird; so entsteht aus vielen einzelnen Menschen nach Gottes Willen eine Gemeinde. Wie diese Gemeinde zum neutestamentlichen Passah gehört, so ist sie auch selbst von neuer Art, oder wie der Apostel sagt: ein neuer Teig; zum neutestamentlichen Passah paßt keine alttestamentliche Gemeinde; das Vorbild ist vergangen, das Urbild gekommen, der Herr macht alles neu. Er ist aber auch ein Eiferer für den neuen Charakter der christlichen Gemeinde, und war es schon zur Zeit, da er die Vorbilder einsetzte. Darum gebot er in der Zeit des Vorbildes, daß zur Zeit des Passah’s der alte Sauerteig weggethan, ausgefegt werden mußte. Auch Sauerteig ist Teig, so muß auch das, was unter Sauerteig gemeint ist, eine Verwandtschaft mit dem

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/248&oldid=- (Version vom 1.8.2018)