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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

als unser Text von der Auferstehung Christi enthält, gäbe man ihm doch einen Faden in die Hand, an welchem man sich in ungemeßene Höhen und Tiefen begeben und sich wieder zurück finden könnte. Mag daher immerhin dem oberflächlichen Leser der Ueberblick unseres Textes über die Geschichte JEsu gering erscheinen; helle Augen bekommen den gegentheiligen Eindruck davon, und ein längerer, vertrauterer Umgang mit den Worten des heiligen Apostels Petrus führt am Ende dahin, daß man jeden Ausdruck meisterhaft, reich und voll findet, und nicht leicht in so wenigen Worten so Vieles und Großes zusammen zu bringen für möglich gehalten hätte.

 Im 36. Vers sagt der heilige Petrus, Gott habe durch JEsum Christum, der nun ein HErr sei über alles, den Frieden, ein Friedensevangelium, verkündigt. Diese Worte beziehen sich nach dem Zusammenhang auf den ganzen Lebenslauf des HErrn, wie er in unserem Texte dargelegt wird. Der ganze Gang JEsu Christi ist ein Gang zum Frieden und die Botschaft von dem Gang ein Evangelium des Friedens. Durch diesen Ausdruck des Apostels ist der ganzen Darstellung in unserem Texte ein recht seliges Licht gegeben, und wie die grüne Erde erst dann recht schön erscheint, wenn sich über ihr ein tiefer blauer Himmel ausdehnt, so wird die Erzählung der Lebens- und Verherrlichungsgeschichte des HErrn uns erst dadurch recht nahe gebracht, daß wir alles, was uns erzählt wird, als Weg und Mittel zum göttlichen Frieden der Menschheit ansehen lernen. Auch kann man sich keineswegs denken, daß der Apostel anstatt des Friedens ebenso gut auch etwas anderes zum Ziele des HErrn JEsus hätte machen können. Wer nur bedenkt, daß JEsu erstes Wort an Seine Jünger nach Seiner Auferstehung kein anderes war als: „Der Friede sei mit euch,“ wer sich erinnert, daß Christus in den letzten Reden vor Seinen Leiden mit Nachdruck gesagt hat: „Den Frieden laße, meinen Frieden gebe ich euch,“ der findet den Frieden JEsu so bedeutsam, daß es ihm am Ende auch nicht mehr schwer wird, ihn als Absicht des Weges JEsu, Seines Lebenslaufes und Seiner Verherrlichungsgeschichte zu faßen. Wir werden daher den Gott des Friedens nur desto mehr preisen, und Seinen Frieden in dem Maße mehr genießen, uns desto reicher und sicherer fühlen, je mehr wir alles, was Christus gethan, gelitten und erfahren hat, als Grundlage unseres Friedens ansehen.

 Die Botschaft von JEsu Christo, ein Evangelium des Friedens, das ist die herrliche österliche Kunde, welche nun ausgehen soll von Land zu Land und alle Völker erfreuen. Zwar hat unser HErr am Himmelfahrtstage Seinen Jüngern den Weg vorgezeichnet, welchen diese Botschaft in weitere Kreise nehmen soll: Jerusalem, Judäa, Samaria, die Enden der Erde, das sind die großartigen Stationen, welche Er selbst bestimmt. Allein Sein Wille war doch nicht der, daß eher zu keinem Heiden das Evangelium gelangen sollte, als bis alle Juden es gehört hätten. Im heiligen Lande selbst wohnten ja Heiden, denen die Botschaft des Heils nicht verborgen bleiben konnte und deren Verhältnis zu dieser Botschaft sehr bald in die Frage und Ueberlegung der heiligen Apostel kommen mußte. Wie konnte es nun da anders sein, als daß der HErr selbst in Seiner großen Menschenfreundlichkeit auch auf diese Heiden Rücksicht nehmen und ihretwegen das Beste anordnen mußte. War es doch von allem Anfang her Sein heiliger Wille, daß Juden und Heiden zu einer heiligen Kirche versammelt, daß auch die Heiden eingeleibt und aufgenommen werden sollten in das große von Ihm gewollte Ganze. War nun dies auch von alten Zeiten her verborgen, so war doch die Zeit gekommen, es Seinen heiligen Aposteln und Propheten des Neuen Testamentes zu offenbaren. Darum ließ Er dem Hauptmann Cornelius zu Cäsarea in Palästina den heiligen Engel erscheinen, der ihn auf Petrum weisen mußte, daher nahm Er nun selber den heiligen Petrus in Schule und Unterricht und bereitete ihn zum Heidenboten vor; Petrus aber, wenn auch in diesem Punkte nicht ohne Bedenken, war seines HErrn gelehriger Schüler und ließ sich durch das Gesicht von den mancherlei Thieren im Tuche, welches ihm zur Mittagszeit erschien, und die damit verbundene Offenbarung willig und bereit machen, zu dem Heiden Cornelius nach Cäsarea zu wandern. Unverholen sprach er ihm das Ungewöhnliche seines Ganges nach Palästina aus, aufmerksam hörte er die Erzählung des Hauptmanns, dann bricht auf einmal die ganze Frucht der Schule, in welcher der Apostel seit den letzten Tagen gewesen war, heraus in den merkwürdigen Worten, welche den Eingang

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/255&oldid=- (Version vom 1.8.2018)