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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Ermüdende wird keinen Teil haben an der Freude des ewigen Gelingens und am Triumphe Seiner Kirche. Die aber arbeiten und einander tragen und einander fördern durch das Wort des HErrn, und nicht müde werden, die dürfen in dem seligen und ewigen Gelingen JEsu auch die Frucht ihrer Geduld erkennen. Mitarbeiter sind sie gewesen, so werden sie auch Miterben des Lohnes und werden sich mit dem großen Helden, der alles in allen thut, freuen am Tage der Ernte, am Tage, da die Beute ausgeteilt wird. Da wird der HErr mit freudeglänzenden Augen in der aus allen Völkern zusammengebrachten Schaar die Frucht Seiner Leiden und Seiner Hirtentreue sehen. Da wird aber auch der Römer, der St. Pauli Wort im 14. und 15. Kap. aufgenommen und den schwachen Bruder durch viel Geduld und Liebe in das helle Licht und die Freiheit der Kinder Gottes eingeführt hat, den Sieg seiner Arbeit in seinem seligen Bruder schauen. Diese Gedanken, meine Brüder, die ohne Zweifel in unsrem Texte liegen, müßen geeignet sein, die Geduld durch Hoffnung zu stärken. Und so kann also nicht blos die Furcht, auch nicht blos das Beispiel JEsu, sondern auch die offenbare Gewisheit, daß unsere große Hoffnung und die Darstellung einer herrlichen und seligen Kirche in Ewigkeit Frucht der geduldigen Arbeit JEsu und unsrer geduldigen Mitarbeit ist, unsre Geduld und Arbeit stärken und stählen.

 Ach, wir müßen uns viel gedulden: Arbeit an den Seelen ist eine schwere Arbeit. Das wißen die Väter, die Mütter, die Lehrer, die Freunde, nicht blos die Seelsorger. Ach, es ist sehr schwer, die Gebrechen und Mängel der Andern zu tragen, heute zu tragen und morgen zu tragen, und immer wieder dieselben Dinge zu tragen. Und wahrlich, nicht minder schwer ist es, zu wißen, zu sehen, wie auch wir andern zu tragen geben, wie man an uns trägt und hebt und schleppt und schier müde wird über unsrer Last. Es ist eine schwere, mühselige, jammervolle Sache mit unsrer Verklärung und Vollendung. Aber das Auge aufs Ziel, auf den Tag unsrer Hoffnung hingerichtet! Die Heiligen alle, die der HErr gewinnt und ewig selig macht, sie sind alle durch dieselben Mühen gekommen, derselben Last und Noth entronnen, und so wir treu bleiben im Tragen und Gedulden, so siegen auch wir und dringen hindurch, und gewinnen und werden gewonnen, und auch uns kommt nach der harten Plage die Freude eines ewigen Gelingens. Darum wollen wir es uns auch einander geloben und versprechen, nicht müde zu werden, und ob einer müde würde, so erinnere und strafe ihn der andere, und helfe einer dem andern mächtig durch Gebet und Zusprache zur Geduld der Heiligen. Es ist ja nur noch ein Kleines, und die Zeit ist kurz: die kurze Zeit wird man doch in des HErren Kraft aushalten können in liebender Geduld! Die Luft, die uns von jener Welt entgegenweht, die Freude unsrer Hoffnung, die herrliche Aussicht auf Christi Ziel und unser Ziel stärke uns alle zur geduldigen Arbeit seelsorgender Liebe, und der Gott der Hoffnung erfülle uns mit aller Freude und Friede im Glauben, daß wir völlige Hoffnung haben durch die Kraft des heiligen Geistes. Amen.


Am dritten Sonntage des Advents.

1. Cor. 4, 1–5.
1. Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse. 2. Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden. 3. Mir aber ist es ein Geringes, daß ich von euch gerichtet werde, oder von einem menschlichen Tage; auch richte ich mich selbst nicht. 4. Ich bin mir wol nichts bewußt, aber darinnen bin ich nicht gerechtfertiget; der HErr ist es aber, der
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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 019. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)