Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/260

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

uns denn auch diesmal erlaubt: wir reden zuerst von dem Zeugnisse Gottes von Seinem Sohne und dann von dem Glauben und Glaubenssiege, welcher aus dem Zeugnis folgt.

.

 Das Zeugnis Gottes, von dem unser Text spricht, ist ein doppeltes, ein Zeugnis im Himmel und ein Zeugnis auf Erden. Vom Zeugnis im Himmel ist im siebenten Verse die Rede, in den Worten: „Drei sind, die da zeugen im Himmel, der Vater, das Wort und der heilige Geist und diese Drei sind eins.“ – Diese Worte, meine lieben Brüder und Schwestern, fehlen in den ältesten Handschriften des johanneischen ersten Briefes und in den ältesten Drucken. Auch Luther hatte sie nicht in derjenigen Ausgabe, nach welcher er übersetzte, und noch die deutsche Bibel von 1545, also die letzte von Luthers eigner Hand kennt unsere Stelle nicht. Dennoch aber hat man uralte Zeugnisse für das Vorhandensein unseres siebenten Verses im ältesten Alterthum, und es ist auch der Ausdruck und Inhalt theils so eigenthümlich, theils so vollkommen und der höchsten, heiligsten Lehre der Christenheit das runde, klare Wort verleihend, daß man unmöglich annehmen kann, der Vers rühre von Menschen her und sei von ihnen frevelig in das göttliche Wort eingeschoben. Wenn auch einem Menschen hätte bei Erwähnung von dreien Zeugen auf Erden die Dreiheit der göttlichen Personen einfallen können, so geht es doch über Menschenwitz und Ahnung, die drei göttlichen Personen als himmlische Zeugen für JEsum Christum hinzustellen. Und wenn auch wir gewohnt sind, zu sagen, diese Drei sind eins, so ist doch unsere gewohnte Rede nur ein Wiederhall dieses Verses und auch dieser Gedanke, der ja mit diesen Worten in der ganzen heiligen Schrift nicht vorkommt, ist bei aller seiner Einfalt so groß und hoch, daß man ihn und den vollkommenen Ausdruck, den er im Texte gefunden, keiner menschlichen Quelle zuschreiben kann. Auch ist es eine reine Einbildung, was manche sagen, daß unser siebenter Vers den Zusammenhang stören soll, da er im Gegentheil durch die himmlische Parallele des dreifach Einen Zeugnisses das irdische Zeugnis nur in ein um so schöneres Licht stellt und durch ein hohes Beispiel mehr die Erde zum Vorhof und Vorbild des ewigen Vaterhauses macht. Als daher im Jahr 1580 die sogenannte sächsische Normalbibel erschien, fand sich, der siebente Vers unseres Kapitels in getreuer Uebersetzung derselben einverleibt, ist auch seitdem einverleibt geblieben, und ich glaube, wenn man ihn auch irgendwie aus der Bibel ausmerzen wollte, man würde ihn nimmermehr aus dem Sinn und Gedächtnis der Kirche austilgen können, so vollkommen spricht er den von Gott geoffenbarten und von der Kirche angenommenen Glauben aus. – Was nun den Inhalt selbst anlangt, so ist er ebenso prachtvoll als alle unsere Sinne und Gedanken übersteigend. Nicht bloß werden uns durch denselben die drei höchsten Personen und zwar in ihrer vollkommenen Wesenseinheit vorgestellt, sondern die allerheiligste Dreieinigkeit erscheint als Zeugin JEsu. Die ewige, dreieinige Gottheit gibt Zeugnis im Himmel – für wen? Für die Himmlischen, auf daß auch ihre Verehrung und Anbetung JEsu auf ein ewiges Gotteswort gegründet sei. Denn von wem zeugt die allerheiligste Dreieinigkeit? Sie zeugt von JEsu, und was zeugt sie von Ihm? Doch wohl nichts anderes, als was alle Engel gelüstet zu schauen und doch über ihr wie über aller Creaturen Verständnis hinausliegt; doch wohl von der Menschwerdung Gottes, von der Aufnahme der Menschheit in die Gottheit, von der persönlichen Einigung der beiden göttlichen Naturen, von der Erniedrigung in die tiefsten Tiefen der Leiden und des Todes, von dem unaussprechlichen Siege, von der Auferstehung und Erhöhung, vom Verdienste JEsu, von der Seligkeit aller armen Sünder in Ihm, – d. i. von lauter Dingen, welche am Ende für alle Creaturen, auch für die Engelwelt so hoch und erhaben sind, daß sie ohne ein unüberwindliches Zeugnis aus dem Lichte der allerheiligsten Dreieinigkeit hervor in ihrer vollen Wahrheit weder gefaßt noch erkannt noch geglaubt werden könnten. Wie nun dies Zeugnis gegeben wird, welch eine Feier der Himmel – ähnlich etwa jener im fünften Kapitel der Offenbarung Johannis – an dem Orte der ewigen Offenbarung mit diesem Zeugnis verbunden ist, was für eine Seligkeit und Anbetung, das geht über all unser Wißen und Verstehen hinaus und es liegt in der heiligen Schrift darüber hin eine dunkle, schweigsame Wolke. Daß aber das Zeugnis ergeht und zwar nicht bloß ein für allemal, sondern andauernd und wohl in die Ewigkeiten hinein, sowie auch das irdische Zeugnis ein andauerndes, immer

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)