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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und Schwestern, einen schöneren Zusammenhang nicht denken, als den, der zwischen den Hauptgedanken unsers Textes ist. Da sehen und hören wir zuallererst Gottes dreifaches Zeugnis von Seinem Sohne und der HErr neigt Sich damit zu der armen Erde, zu den irrenden Schafen der Menschheit herunter. Diese hingegen beantwortet die Stimme und das Zeugnis Gottes mit ihrem herzlichen Credo und es geht dabei ganz zu, wie in dem sonntäglichen Gottesdienste, der unter uns gefeiert wird. Da liest man auch vom Altare die Zeugnisse Gottes aus Epistel und Evangelium, und die Gemeinde beantwortet sie mit dem Glauben. Das ist, wie wenn sich der Vater aus der Höhe zu uns armen Kindern neigte, und wir uns Ihm an den Hals hängten mit vertraulichem, kindlichem Wesen und mit verschämter, aber inniger Hingebung an Denjenigen, der uns so hoch geliebt hat. Da hängt also der Glaube am Zeugnis Gottes und durchs Zeugnis an Ihm selber, und indem das geschieht, äußert der Glaube seine Wirkung auf das Innere im Menschen, wandelt ihn um und gebiert ihn neu, daß sich der Mensch anders fühlt als er zuvor gewesen ist, unterschieden und getrennt von der Welt. Wie kann das auch anders sein? Die Welt nimmt ja das Zeugnis Gottes von Seinem Sohne nicht an, ihre Kinder glauben das Zeugnis nicht, besiegeln es auch nicht mit ihrem Ja und Amen, verachten das Wort, das vom Himmel kommt, laßen es nicht in sich eindringen und dringen ihrerseits wieder auch nicht ins Wort ein, begreifen es nicht, wie sich jemand dieser Botschaft hingeben, ja sich ihr ausschließlich hingeben, für sie und von ihr durchdrungen, und, wie man sagt, begeistert sein kann. Ja, der Glaube macht die Welt fremd gegen ihre ehemaligen, nun aber wiedergeborenen Kinder und macht diese selbst zu Fremdlingen in dieser Welt. Es ist anders mit ihnen worden, alles ist anders, alles ist neu und es entzieht sich den Einflüßen des Glaubens allmählich nichts mehr; auch die äußersten Sinne und Gedanken, Urtheile, Begierden und Gefühle werden umgewandelt und mitten auf der breiten, von dichten Schaaren begangenen Straße alles Fleisches sondert und scheidet sich wie eine schmale Bahn, wie ein einsamer, gefärbter Faden im Geflechte des Taues der Pfad und Steig Derjenigen, die da glauben und im Glauben andere Leute geworden sind. Wenn also der Glaube zuerst einer menschlichen Antwort auf ein göttliches Zeugnis gleicht, so sehen wir ihn nun als eine Kraft Gottes, die neu gebiert und vom gewöhnlichen Wesen der Welt absondert. – Doch ist damit der Lauf des Gedankengangs nicht zu Ende. Die Welt hat feine Sinnen für alles, was ihr widerstrebt und wenn irgendwo ihrem Reiche ein Abbruch geschieht, so bemerkt sie das und geräth dadurch in jenen Schrecken, in welchen Herodes und die Stadt Jerusalem gerathen ist, als die Botschaft von der Geburt des Weltheilandes erscholl. Sie wittert von ferne den Untergang, der ihr droht und fühlt den Brand, der sie einst verzehren wird, schon dann, wenn erst die Funken stieben. Sie wird daher auch auf die Dauer nicht unthätig und ruhig zusehen; sie wird sich bald von ihrem Schrecken erholen und schnell zugreifen, um die Funken auszulöschen, eh’ es einen Brand gibt. Und wenn das nicht geht, wie sie gedacht hat, wenn sich die Funken im Gegentheile mehren und in Flammen auflodern, je mehr man sie anbläst, wenn sich im Kampfe die Kraft entwickelt, die göttliche Macht des Glaubens zeigt, dann zieht die Welt ins Feld, dann ergeht ein Aufgebot an alle ihre Streitkräfte, dann gibt es einen hellen Strauß und einen mächtigen Kampf. So war es in den Tagen des heiligen Johannes, als er nach Pauli Weggang aus den Morgenlanden in deßen Arbeitsfeld eintrat, die kleinasiatischen Gemeinden zu weiden. Damals regte sich das Heer der Heiden gegen den Haufen Christi und die gräulichen Wölfe, welche St. Paulus mit Thränen geweißagt hatte, falsche Lehrer, Leugner der Gottheit Christi, Künstler in der Vereinigung der Lüge und der Wahrheit drangen in die Gemeinden ein und suchten mit falsch berühmter Kunst die Einfalt der Gläubigen vom Wort und von dem ewigen Sohn des ewigen Vaters abzukehren. Aber siehe, Er hatte sich Seinen Helden erlesen, und der Freund, dem Er Seine Mutter am Kreuze befehlen konnte, bekam nun die neue Aufgabe, die verlaßene Heerde der Kirche durch List und Gewalt der Welt hindurch zum Sieg zu führen. Es war St. Johannes, von dem ich rede. Der aber schrieb sein Evangelium, schrieb seine Briefe, schrieb auch aus JEsu und Seines Engels Munde die hohe Offenbarung und stärkte durch so viel Gotteswort gegenüber der feindselig redenden Welt den Glauben der Jünger, den

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/264&oldid=- (Version vom 1.8.2018)