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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

hindert zu thun, was wir wollen, und was der alte Adam, ja das Thier in uns begehrt. – Es ist österliche Zeit. Wir leben in den vierzig Tagen, welche dem Andenken an jene vierzig größten Freudentage der Erde gewidmet sind, in welchen der Auferstandene und Verklärte den Seinen sich so oft sichtbar erwies. Was that Er in den vierzig Tagen? Er sammelte die zerstreuten Schafe wieder, die in Gethsemane von Ihm geflohen waren und ordnete Seine Heerde. Kein österlicheres Bild, als der gute Hirte unter Seinen Schafen in der Glorie Seiner Auferstehung, mit der siegreichen Kraft Seines Leidens und Sterbens. Christus und Seine Heerde, Christus und die sich wieder sammelnden Apostel, Christus der Hirte unter den Sklaven, Christus und nicht unser Hirte? Ist das erträglich? Kann mans aushalten auf den eignen Wegen und Stegen am Felsenrande der Hölle? Kann man den Auferstandenen rufen hören: „Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken, nehmt auf euch Mein Joch, denn Mein Joch ist sanft und Meine Last ist leicht, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen?“ Entbrennt an solchen Worten und an der Erinnerung des Sterbens, Leidens und Auferstehung Christi, das wir feierten, keine Lust, kein Drang zur Nachfolge, zur Nachfolge im Leiden? Wen soll ich senden, wer will unser Bote sein? ruft Gott Jesaia 6. Und Jesaias antwortet: Hie bin ich, sende mich. Heute fragt er ein Leichteres: Wen soll ich berufen, wer will mir nachfolgen? Gibts keine Antwort, will niemand sagen: Führe mich mein Hirte, ich will Dir folgen, mein Bischof, gedulde Dich mit mir, führe mich Deine Wege, leite mich Deine Straße, faß mich an meinen Händen, zieh mich, wenn ich nicht gehen will, trag mich, wenn ich nicht folgen kann?! O des Jammers, daß ihr so stille seid, daß der Hirte so einsam durch unsre Pfarrei geht und so wenig Schafe Ihm folgen aus ihren Ställen! O des Jammers, daß ich nicht mehr kann, als jammern und weinen und warten, und die entzückenden Worte meines Textes zu keinem Feuer machen kann, das auch euch ergreife und entzünde, daß ihr in der Liebe und Nachfolge JEsu lebtet! Helfer aus der Höhe, mächtiger, starker, hilf unter uns Deinem Worte, oder gib auch mir die große Kunst, die Du kannst, fröhlich zu sein mit denjenigen unter meinen Schafen, die zu Dir kommen, und es tragen zu können, wenn Dein süßes Locken und Leiten nicht haufenweise die irrenden Schafe wieder zu Dir bringt! Amen.




Am Sonntage Jubilate.

1. Petr. 2, 11–20.
11. Lieben Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrime: Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten; 12. Und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf daß die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure gute Werke sehen und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird. 13. Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen, es sei dem Könige, als dem Obersten, 14. Oder den Hauptleuten, als den Gesandten von Ihm zur Rache über die Uebelthäter, und zu Lobe den Frommen. 15. Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwißenheit der thörichten Menschen, 16. Als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit; sondern als die Knechte Gottes, 17. Thut Ehre jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott. Ehret den König. 18. Ihr Knechte, seid unterthan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. 19. Denn das ist Gnade, so Jemand um des Gewißens willen
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)