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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

einfach ist dieser Schluß, und doch wie falsch ist er. Der Christ scheidet sich ja freilich von der Welt; das heißt aber nicht, er scheidet sich von ihrer Last, sondern es heißt nur, er scheidet sich von aller Teilnahme an ihrer Sünde; des Lebens Last und Mühsal läßt er sich gefallen, läßt es sich gar nicht einfallen, die Mühseligkeiten, die er in seinem äußeren Leben in der Welt zu tragen hat, von sich abzuschütteln. Die Welt ist ihm eine Fremde, da behandelt er sie auch wie ein Reisender, der leiblich durch ein fremdes Land zu ziehen hat; er ordnet sich den Gesetzen dieses Landes unter, so lange er in demselben reist und so weit es nur immer angeht, ohne daß er seine heiligen Pflichten gegen die ewige Heimath verletzt. Diese Unterordnung kann je einmal zu den Beschwerlichkeiten seiner Reise gehören; da trägt er sie denn auch im Frieden, wie jede andere Beschwerlichkeit der Reise, und tröstet sich bei dem Drucke, den er fühlt, mit dem Bewußtsein, daß sein Zustand nicht ewig währt, daß die Heimath winkt und mit jedem Schritte näher kommt. So lehren die heiligen Apostel insgemein, so lehrt St. Petrus die Pilgrime und Fremdlinge in unsrer Epistel. „Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen, es sei dem Könige als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als den von ihm gesandten zur Rache der Uebelthäter, zum Lobe aber derer, die da wohlthun.“ Aus diesen Versen sehen wir also deutlich, daß eine jede menschliche Ordnung von Gott dem HErrn anerkannt wird. Zu diesen menschlichen Ordnungen wird der Kaiser gerechnet, der römische Kaiser, welchen die Griechen mit dem Namen „Basileus“ oder „König“ titulirten. Zu derselben menschlichen Ordnung werden auch die Obersten, die Landpfleger und übrigen Regierungsbeamten des römischen Kaisers gezählt. Von diesen Beamten wird gesagt, sie seien durch den Kaiser zur Rache der Uebelthäter und zum Lobe derer ausgesandt, die wohl thun. Wahrlich, meine Freunde, da kann man verwundernd stille stehen. Wenn jemand die römischen Kaiser der damaligen Zeit, namentlich aber jenen Kaiser Nero, unter welchem der erste Brief Petri, wie auch der zweite geschrieben sein wird, Wütheriche und Scheusale, abscheuliche Tyrannen und Geißeln der Menschheit nennen würde, so würde der Kundige dagegen gar nichts einzuwenden haben. Wenn ein anderer behaupten würde, die Landpfleger und Beamten dieser Kaiser seien gewesen, wie sie, wie die Herren selbst, so fragt sichs, ob der Beweis der Behauptung schwer zu führen sein würde. Oder wenn einer einen Zweifel erheben würde, ob wohl eigentlich der Kaiser Nero seine Beamten zur Strafe der Uebelthäter und Belobung derer, die recht handeln, ausgesendet habe, wahrlich, der Zweifel könnte ansteckend wirken. Ja wenn einer noch weiter gehen wollte und sagen, das ganze römische Weltreich habe zu dem Thiere gehört mit den vielen Köpfen, von denen einer den Antichristus bedeute, zum Thiere, auf dem die große Hure reiten werde; es habe sich in diesem Reiche je länger je mehr der Gegensatz gegen Christum den HErrn gezeigt; was könnte man denn eigentlich dagegen aufbringen? Das alles aber wußte der heilige Petrus auch, er sah es zu der Zeit, da er den Brief schrieb, in der Nähe, denn der Brief ist ja in Rom geschrieben. Dennoch aber schrieb er, was er schrieb, und das im vollen Ernste. Es muß daher auch diese Ansicht der Sachen richtig gewesen sein, der Wütherich Nero, dieses Scheusal der Menschheit, aus Bosheit und Narrheit zusammengesetzt, war dennoch „Basileus“, der Kaiser; seine Hauptleute waren dennoch in den Landen, Recht und Gerechtigkeit zu üben, und das römische Reich, obwohl zum Thier gehörig und zum Kolosse des Nebucadnezar, ist dennoch eine menschliche Ordnung, und es war dennoch des HErrn Wille, daß man sich den Gesetzen desselben um Seinetwillen unterwerfen sollte. Es offenbart sich hier der wunderliche Haushalt Gottes, welcher bei allen Gestaltungen des Thiers doch auch selbst noch Sein Werk durch dasselbe schafft und auch durch einen Nero der Welt noch größere Wohlthat zu thun vermag, als durch die pure Anarchie. Daraus ergibt sich dann, meine Brüder, wie wenig Befugnis wir von Gott haben, uns gegen irgend eine Obrigkeit aufzulehnen, und was für gewaltige tapfere Gründe unter allen Umständen vor Gott dem HErrn für den Gehorsam gegen die Obrigkeit vorhanden sein müßen. Was wird also der HErr zu den Pilgrimen sagen, die da heimkommen und an irgend einem Ungehorsam oder Aufruhr gegen die Obrigkeit Theil genommen haben? Um Seinetwillen hat man gehorsam sein sollen, und man sollte statt des Gehorsams Ungehorsam leisten und damit vor Sein Angesicht treten dürfen? Das

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/277&oldid=- (Version vom 1.8.2018)