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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

der thörichten Menschen zum Schweigen bringen: wie könnte man das ohne Geduld faßen, da doch die Unwißenheit der Unverständigen und Thoren nicht so gelehrig ist, daß schon ein kurzer Gehorsam gegen die Obrigkeit eine solche Wirkung haben könnte. Am allermeisten aber zeigt sich die Forderung der Geduld im 20. Verse, in der Ermahnung, welche den Sklaven gegeben wird, zumal, wenn man den Vers etwas strenger, als es bei der lutherischen Uebersetzung der Fall ist, nach dem Wortlaut wiedergibt. Denn genau am Wort kommt der Ausdruck „Geduld“ in diesem Verse nicht weniger als zweimal vor. „Was für ein Ruhm ist es, sagt nämlich der Apostel, wenn ihr sündigt, und dann die Züchtigung dafür erduldet? Aber wenn ihr wohlthut und dann Leiden erduldet, das ist Gnade bei Gott.“ Zwar ist hier mehr vom erdulden, als vom sich gedulden die Rede; aber kann man denn erdulden, ohne sich zu gedulden? Gibt es einen Dulder ohne Geduld? Wäre es nicht ein Spott, zu behaupten, der Dulder habe seinen Namen nicht von Geduld, sondern bloß vom Dulden? Es liegt im Dulden schon Geduld ausgesprochen. Daher, meine lieben Brüder, glaube ich, daß in der Geduld die Vollendung aller der Tugenden liegt, von denen unser Text spricht, und obwohl ich dies hätte können unhervorgehoben im Texte ruhen laßen, so schien es mir doch, als sollte ichs nicht, ich mußte wenigstens sagen, daß ohne Geduld zum Ganzen die Krone, zum Leben des Pilgers und Fremdlings die Luft fehle.

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 Nun aber laßt uns endlich noch nach Zweck und Segen der Pilgerschaft fragen. Der Zweck des Wandels liegt in seinem Segen. Zweck und Segen fallen zusammen. Wollte man diesen Zweck und Segen zusammenfaßen, so würde man etwa sagen müßen, die Pilgrime sollen in der von dem Apostel befohlenen Weise wandeln und leben, damit die Kinder der Welt durch die Erfahrung dieses Wandels umgestimmt, der Wahrheit offen und erneuert werden. „Führet einen guten Wandel unter den Heiden, spricht der Apostel, auf daß die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen.“ So nach der Uebersetzung Luthers. Aehnlich heißt es auch nach der Vermahnung zum Gehorsam gegen die Obrigkeit. „Das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwißenheit der thörichten Menschen.“ Und wenn es nach dem apostolischen Worte an die Sklaven im 20. Verse heißt: „Was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet“, so kann doch der Apostel nicht vorhaben, Gottes Pilgrime zum eitlen Ruhme anzuleiten, sondern der Ruhm des heiligen Benehmens der Sklaven wird wohl keine andere Absicht haben wollen, als den Sinn der harten Herren zu brechen oder zu erweichen und durch der Sklaven treffliches Benehmen und Verhalten bei ihnen Achtung vor der Religion zu erwirken, die den Sklaven also heiligen und umändern kann. In der Weise sollen Gottes Fremdlinge und Pilgrime durch die Welt hingehen, daß die Welt gebeßert werde, insonderheit die Obrigkeiten und die Sklavenbesitzer die herrliche Wirkung der christlichen Religion an den Unterthanen und Sklaven erkennen. – Nun könnte man wohl sagen, daß der Gehorsam die heidnischen Obrigkeiten, die edle Bescheidenheit der Christen die Könige und Herrlichen der Welt, und das treue, unschuldige, geduldige Leiden des Sklaven den Herrn überwinden und der christlichen Religion geneigt machen könne, daß aber im Gegentheil die Verschmähung aller Fleischeslüste und ein heiliger Wandel vielmehr den Unwillen und Haß der Heiden hervorrufen werde, am Ende also der gesuchte Zweck und Segen des befohlenen Verhaltens nicht erreicht werde. Eine solche Einwendung würde, wenn sie nicht gerade einem offenbaren apostolischen Worte gegenüberstände, bei vielen gewis großen Anklang finden. Manche Menschen wagen es nicht, mit der Welt zu brechen und einen entschieden christlichen Wandel zu führen, weil sie damit einen üblen Eindruck zu machen fürchten. Um die Kinder der Welt dem Christentume holder zu machen, verhüllen sie das Christentum, oder kleiden es in weltliche Formen und Gewande; es soll nach ihrer Meinung anziehender und ergreifender wirken, wenn es nicht gleich vornherein in der ihm eigenen Gestalt und Vollendung auftritt. So hilft dann der Mensch in seiner Weisheit dem HErrn und Seiner Weisheit, und verbeßert Gottes Wege. Der HErr aber läßt es den Aufrichtigen gelingen, denen aber, die es wagen, Ihm selbst nachzuhelfen, läßt Er es mislingen. Es kann in der Welt keine elendere pastorale Regel geben, als die, die Kinder der Welt für Christum durch ein Gemisch von Welt und Christentum zu fahen, während es umgekehrt eine Erfahrung ist, die ihre Bestätigung

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/280&oldid=- (Version vom 1.8.2018)