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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Recht, das blühen und welken kann, ohne daß deshalb das Pfarramt aufhört zu sein, was es von Gottes Gnaden ist. – Ihr habt ferner ganz recht, wenn ihr sprechet, die Pfarrer seien nach St. Pauli Worten Sclaven, Aufwärter, Knechte, und ich will sogar zugeben, daß wir eure Knechte sind, sintemal wir euch dienen und ihr den Nutzen von uns habet, wenn ihr Ihn brauchen könnet und wollet. Wenn ihr Christen seid, so sind wir euer, wie St. Paulus sagt: „Alles ist euer, es sei Paulus oder Apollos, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige, alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ Also ja, seid ihr Christi, seid ihr Christen, dann ist auch alles euer, d. h. dann muß euch alles Segen bringen, dann könnt ihr alles benützen, wie es auch geschrieben steht: „Alle Dinge müßen denen, die Gott lieben, zum Besten dienen.“ Aber sind wir deswegen eure Sclaven, eure Aufwärter, eure Knechte in dem Sinne, wie es von Unchristen und unchristlichen Gemeinden so gerne aufgefaßt wird. Habt ihr uns gekauft, wie uns Christus gekauft hat? Habt ihr uns die Gesetze des Amtes gegeben, müßen wir euren Willen vollbringen? Seid ihr unsere Herren und Herren unseres Amtes, daß wir euch predigen müßten, wie es euch gefällt? Seid ihr unsere Richter oder haben wir sonst einen menschlichen Gerichtstag zu fürchten? Stammt unser Amt von euch, von euch unser Beruf, unser Geist, unsre Gabe, unsre Zuversicht? Mit nichten. Weder das Amt, noch der Beruf, noch die Schätze, über die wir haushalten, noch die Gesetze, nach denen wir haushalten, noch das Gericht über unser Haushalten ist euer. So sind wir also wohl eure Knechte durch Liebe, weil wir euch nützen und dienen, wie auch Christus in der vorigen Epistel ein Diener der Beschneidung oder der Juden genannt ist, aber wir sind nicht eure Knechte aus Noth, ihr nicht unsere Herren nach der Gewalt, sondern Christus ist, wie euer Herr, so unser Herr; Seine Befehle richten wir an euch aus, und wenn und so lange wir nichts anderes an euch bringen, als Seine Worte, Seine Befehle, Seine Schätze, seid ihr zum Gehorsam verpflichtet, wie es auch geschrieben steht: „Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen.“ Es ist wol richtig, daß in der lutherischen Kirche zwei verschiedene Meinungen sind in Betreff der Uebertragung des Amtes an die Amtsträger; die einen behaupten, Christus habe allen Christen und Seiner ganzen Gemeinde das Amt gegeben, diese aber verpflichtet, das allen gehörige Amt in zweiter Ordnung den Amtsträgern zu überliefern; von dieser ganzen Meinung steht in der heiligen Schrift nichts. Die andern sagen schriftgetreu, der heilige Geist setze die Bischöfe durch diejenigen, welche schon Bischöfe seien unter Zeugnis und Zustimmung der Gemeinden. Indeßen mag diese Verschiedenheit sein so groß sie will, beide Richtungen stimmen nichtsdestoweniger doch darin zusammen, daß das Amt göttlich sei, so wie es einmal übertragen ist, und daß niemand selig werden könne, der sich der Amtsführung treuer Knechte Christi widersetzt. Herrschen dürfen Christi Knechte nicht; die Gemeinden vergewaltigen ist eine schwere Sünde, die der Herr fordern wird, wann er kommt. Aber die Gemeinden mit Gottes Wort und Sakrament leiten und weiden, führen und regieren zum ewigen Leben, das sollen die Knechte Christi, und alle frommen Christen sollen und müßen sich auch leiten und weiden, führen und regieren laßen zum ewigen Leben, und wer sich deßen schämt, der schämt sich der Ordnung und Satzung Christi, wird auf die Länge kein Glied des Leibes Christi sein und Antwort geben müßen dem Richter der Lebendigen und der Todten.

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 Eine Ausflucht könnte derjenige, welchen unser Text und die darauf gegründete Predigt zu stark an den Gehorsam mahnt, allenfalls noch finden. Er könnte sagen, ob denn wirklich unter den Dienern und Haushaltern des Textes Hirten und Lehrer und nicht vielmehr Apostel gemeint seien; den Aposteln könne man das alles zugestehen, aber nicht den gewöhnlichen Hirten und Lehrern. Diese Ausflucht aber muß man fallen laßen, da man ja allerdings sich aus dem Zusammenhang unserer Epistel leicht überzeugen kann, daß der Apostel keineswegs allein von sich und seinen Mitaposteln spricht. Er verweist mit dem Worte „uns“ auf das Kapitel vorher, in welchem neben ihm selber allerdings auch von Petrus, insonderheit aber auch von Apollos die Rede ist. Muß man also einerseits auch zugestehen, daß St. Paulus auf sich und Petrus die Worte deutet: „dafür halte uns Jedermann;“ so muß man doch auch von der andern Seite zugestehen, daß sich das Wörtchen „uns“ mit auf Apollos beziehe. Sollte aber ja jemand daran

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 022. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)