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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und ihre Sehnsucht werden. Darum traten auch zwei Engel zu ihnen, zwei aus den Chören, die Christum heimgeleiteten, zwei Männer in hellem leuchtendem Gewande und brachten durch ihren Zuruf bei den Aposteln die rechten Gedanken in Gang. „Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr hier und schauet gen Himmel? Dieser JEsus, der von euch aufgenommen ist in den Himmel, wird ganz in derselben Weise wiederkommen, wie ihr Ihn habt zum Himmel fahren sehen.“ Also ist da nichts mehr zum Himmel zu sehen, man soll Ihm nicht nachfahren wollen, Er kommt ja wieder gerade so, wie Er aufgefahren ist, mit des Himmels Wolken in der Herrlichkeit des HErrn. Das soll man erwarten, deßen sich würdig machen und bis zur Zeit, da Er wieder kommt, so lange man kann, auf Erden das Werk vollbringen, welches Er befohlen hat, mit den Pfunden wuchern, die Er zurückgelaßen, und unter den Völkern Segen stiften, unter welchen Er Seine Kirche bauen will. Da haben wir, meine Geliebten, zwei ächte Himmelfahrtsgedanken: auf die Wiederkunft Christi warten und bei solchem Warten den heiligen Erdenberuf der Kirche vollbringen. Mit diesen beiden Gedanken schließt der Text und auch mein Vortrag, nicht mit einem von beiden, sondern mit beiden. „Selig sind die Knechte, die auf ihren Herrn warten“, sagt eine Stelle der heiligen Schrift, eine andre aber: „Selig ist der Knecht, welchen der Herr, wenn er kommen wird, also wird finden thun.“ Warten und thun, dem wiederkommenden JEsus entgegen hoffen und entgegen arbeiten, das sind Himmelfahrtsgedanken, Himmelfahrtsgeschäfte. Zu ihnen ruft der HErr und für ihr mächtiges und glückliches Vollbringen bereitet Er ein Pfingsten. Wer den doppelten Entschluß fest ins Herz faßt und seine Augen nach der Hilfe richtet und um sie betet, dem wird sie auch gegeben werden: die Verheißung des Vaters, die Kraft des heiligen Geistes wird über ihn kommen, daß er kann, wozu er sich entschloßen hat, und daß er ein Wegbereiter mehr wird für Den, der wieder kommen wird über ein Kleines. Amen.



Am Sonntage Exaudi.

1 Petri 4, 8–11.
8. So seid nun mäßig und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen aber habt unter einander eine brünstige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge. 9. Seid gastfrei unter einander ohne Murmeln. 10. Und dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. 11. So Jemand redet, daß ers rede als Gottes Wort. So Jemand ein Amt hat, daß er es thue als aus dem Vermögen, das Gott darreichet, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch JEsum Christum, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 GAnz in der Nähe des Pfingstfestes sind wir nun angekommen; acht Tage noch, und der Festtag der Ausgießung des heiligen Geistes ist gekommen, der Geburtstag der heiligen Kirche ist da. Darum redet heute schon das Evangelium von dem Zeugnis des Geistes und der Apostel und von der eben so schmerzen- als freudenreichen Sonderung von der Welt, aus welcher die Kirche hervorgehen und wachsen wird. Darum redet aber auch die heutige Epistel bereits von den Tugenden einer Seele, die sich auf Pfingsten bereitet, von Tugenden, denen durch die Ausgießung des heiligen Geistes ein neuer Zufluß kommen muß, damit sie als Mitarbeiterinnen an allen guten Werken der Jünger, die da zeugen sollen, den seligen Zustand der auf Erden unsterblichen, sich immer mehrenden Kirche herbeiführen können. So geben die beiden Texte

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/303&oldid=- (Version vom 1.8.2018)