Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/321

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Nicht lang also, nachdem Petrus den Mund aufgethan hatte zu reden, aber auch nicht ohne Rede und Predigt, nicht vor Beginn derselben fiel der heilige Geist auf die Gläubigen. Geist und Wort gehen zusammen, das Wort ist gewissermaßen wie eine Leiblichkeit des Geistes oder ein Träger des heiligen Geistes, und wenn man auch beim ersten Pfingsten der Juden im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte nichts davon liest, daß dortmals die Ausgießung des heiligen Geistes sich an eine Predigt angeschloßen habe, so haben wir doch einen doppelten Grund anzunehmen, daß auch sie nicht ohne Predigt geschehen sei. Da die ersten Gläubigen beisammen waren, als der Geist über sie kam, und sie bei aller Erwartung der Verheißung des Vaters doch die bestimmte Absicht nicht haben konnten, zusammenzukommen, damit sie den Geist empfiengen, so wird doch die nächste Absicht gewesen sein, um den Geist zu beten und von der Verheißung des Vaters zu reden. Es kann deshalb allerdings auch die erste Ausgießung des Geistes über die Juden, der heute in Cäsarea vorgegangenen auch in dem Stück ähnlicher gewesen sein, als es scheint. Wäre aber auch dies nicht gewesen, so würde doch die Ausgießung des heiligen Geistes zu Jerusalem nicht ohne Predigt geschehen sein. Wie die Ausgießung des heiligen Geistes in Cäsarea die Predigt Petri besiegelte, so besiegelte die Ausgießung des heiligen Geistes in Jerusalem die Predigten JEsu, und man könnte daher sogar sagen, es habe dieser weniger an Predigt gefehlt als jener, die nach eigenem Berichte des Apostels nur den Anfang einer Predigt Petri vor sich hatte. So gienge dann doch immer Geist und Wort zusammen, und wie alle ordentlichen Gnaden des heiligen Geistes durch die Predigt gegeben werden, so bestätigten auch alle außerordentlichen immer eine Predigt des lebendigen Gottes. Das Wort des Geistes wäre immer, wenn nicht das Mittel der Annahung des Geistes, wie bei den ordentlichen Gnaden, so doch Anzeichen und Begleitung des Geistes. – Was nun die Ausgießung des heiligen Geistes selbst anlangt, so geschah sie in Cäsarea ganz wie in Jerusalem, wie das in der Erzählung des 11. Kapitels ausdrücklich bezeugt wird und aus dem doppelten Berichte Kap. 10 und 11 unleugbar hervorgeht. Nicht wißen wir, ob in Cäsarea auch das Brausen des gewaltigen Wehens vom Himmel vernommen wurde, auch steht wenigstens nicht ausdrücklich geschrieben, daß die feurigen Zungen über den Heidenchristen zu Cäsarea erschienen seien, und sich auf sie gesetzt hätten; aber man könnte doch eine sichtbare Aehnlichkeit des Vorgangs zu Cäsarea mit dem zu Jerusalem vermuthen, ja aus den Worten schließen, weil es ja in beiden Berichten heißt: der Geist sei auf sie gefallen, und in dem einen, es sei geschehen wie in Jerusalem. Man würde es wohl schwerlich für ganz dem Eindrucke der Erzählung zupaßend halten, wenn man behaupten wollte, man habe zu Cäsarea nur aus den augenblicklichen Wirkungen geschloßen, daß unsichtbar dasselbige vorgegangen sei, was in Jerusalem sichtbarlich. Bescheiden wir uns daher auch über das symbolische und sichtbare des Heidenpfingstens weniger zu wißen, als vom Pfingsten der Juden; so werden wir uns doch wohl hüten, aus unseren Textesworten mehr zu schließen, als drinnen liegt, und etwa gar zu behaupten, was uns weder gesagt ist noch folgt, es sei in Cäsarea die Ausgießung des heiligen Geistes keine sichtbare gewesen. Dabei müßen wir aber allerdings zugestehen, daß der Text weit mehr von den Wirkungen des heiligen Geistes als von den Symbolen sagt, so wie, daß von den Wirkungen so viel und großes gesagt wird, als nur immerhin nöthig ist, um schon aus ihnen die Heimsuchung des heiligen Geistes und den Anbruch des Pfingstens der Heiden zu schließen. Denn auch diese Heiden, die kaum die Botschaft des Evangeliums vernommen und in ihre glaubigen Gemüther aufgefaßt hatten, redeten mit Zungen und lobpreiseten Gott, so daß Petrus und seine Begleiter aus den Judenchristen in Erstaunen geriethen, weil auch über die Heiden die Gabe des heiligen Geistes ausgegoßen ward. Wenn nun die Heiden in Cäsarea mit Zungen reden, und in Jerusalem gleicherweise die judenchristliche Gemeinde, so ist allerdings über beide einerlei Gabe ausgegoßen, und es war von Seiten des HErrn gewis auf eine Gleichstellung der Heiden- und der Judenchristen abgesehen. Es sollte ja dadurch der Wahn zerstört werden, als sähe Gott Person an, als gäbe er den Juden um ihrer alttestamentlichen Vorzüge willen ein näheres Gnadenrecht an Christum und Seine Erlösung, als den Heiden. Die Gleichheit, die Allgemeinheit der Berufung, die Allgemeinheit der Bedingungen des Heils, nemlich die Hinnahme des Heils und Lebens aus purer Gnade

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/321&oldid=- (Version vom 1.8.2018)