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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

hatte, siehe, so war Alles sehr gut, also auch die Ehe, die Er gestiftet hatte. – Warum belächelst du Brautleute? Warum machst du aus der Hochzeit, auf welche die Kreuzschule der Ehe folgt, eine Leichtfertigkeit? Warum schüttelst du das Haupt, wenn fromme Leute heirathen? Ohne Zweifel hast du einen andern Sinn, als der HErr. Er ist heilig, so ist Ihm auch die Ehe heilig. Du bist fleischlich gesinnt, darum urtheilst du über die Ehe, als wäre sie Fleisch. Deines Herzens Unrath verunreinigt dir in der Ehe Leib und Seele. Simon von Cana (denn er soll der Bräutigam gewesen sein) ist in der Liebe JEsu durch seine Ehe nicht gehindert, wie etwa deine Ehe dich hindert: er sahe Seine Herrlichkeit und glaubte an Ihn.

 3. Noch Eins! Es war eine Hochzeit armer Leute, welcher der HErr beiwohnte, deren Feier Er durch Offenbarung Seiner Herrlichkeit erhöhte. So will Er also die Armen auch in der Ehe haben, nicht bloß die Reichen! Er kommt zu der Armen Hochzeit mit Seinem Reichtum. Er übernimmt die Verantwortung, Er gibt ihnen Korn und Most die Fülle und steht ein, daß fleißige und gottesfürchtige Arme niemanden zur Last fallen sollen. Niemanden, d. i. keinem, dems eine Last ist, wenn er frommen Armen beistehen soll. Denn Ihm und Seinen Jüngern ist es keine Last, sondern Lust, armen Eheleuten Liebe zu erweisen. – Wie ganz anders denkt man doch in vielen Gemeinden unserer Zeit. Wer „nicht hat“, kann nicht heirathen, er wird nicht aufgenommen. Warum nicht? Er könnte der Gemeinde zur Last fallen. Aber wenn nun der wilden Ehen immer mehr werden, wenn der Kinder immer mehr werden, die Vater und Mutter nicht rufen können, ohne sie zu beschämen? Wenn nun die Sünde, weil sie zu oft vorkommt, nicht mehr Sünde sein wird? Wenn die vaterlosen Kinder von schwachen, leichtsinnigen Müttern schlecht erzogen und ohne Unterlaß geärgert werden? Wenn durch sie die Bosheit immer allgemeiner wird? Wenn etwa durch sie auch die Menge der Armen immer größer wird, die Gemeinden dennoch immer mehr belästigt werden? mehr belästigt, als durch Familien, die aus gesegneter Ehe hervorgiengen? – Oder ist das unwahrscheinlich? – Kanns nicht so kommen? Ists nicht so gekommen? – Ach wer kann die Folgen unbarmherziger Verweigerung der Ehe übersehen! Laßt uns nur gestehen: der christliche, barmherzige Weg ist nicht allein der beste, sondern auch der weiseste. Er hat, wie alle Gottseligkeit, eine Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens!


Am dritten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.
Matth. 8, 1–13.

 1. ZWei Geschichten erzählt das Evangelium, die Heilung des Aussätzigen und die des gichtbrüchigen Knechtes. Der Aussätzige naht dem HErrn mit dem Worte: „HErr, so Du willst, kannst Du mich wohl reinigen.“ Der Hauptmann von Capernaum spricht: „HErr, ich bin nicht würdig, daß Du unter mein Dach eingehest, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund, denn ich bin auch ein Mensch der Obrigkeit unterthan, habe unter mir selbst wieder Kriegsknechte: und sage ich zu diesem: gehe hin, so geht er, und zum andern: komm, so kommt er, und zu meinem Sklaven: thue das, so thut ers.“ Mit diesen Worten sprechen beide einen Glauben aus, der Himmel und Erde in Verwunderung setzt. Der Aussatz, eine Krankheit, für die es keine Arzenei gibt, die aller Aerzte spottet, soll nun dem Willen des Menschensohnes JEsu unterworfen sein und die Gichtbrüchigkeit, die von dem Hauptmanne selbst als eine Ursache vorhandener gewaltiger Qualen und Schmerzen beschrieben wird, die soll sich zu JEsu, wie ein Soldat gegen seinen Hauptmann, wie ein Sklave zu seinem HErrn verhalten und nach Seinem Willen gehen, wohin Er sie weiset. Auch soll Sein Wille so übermächtig sein, daß Er ihr aus der Ferne gebieten und sie Ihm in der Ferne folgen muß. Was für ein Vertrauen hat der Aussätzige zu JEsu, was für einen Glauben an Seine Hilfe der Gichtbrüchige. Es ist hier nicht vom seligmachenden Glauben die Rede, sondern von dem Glauben an die wunderbare Hilfe, vom Wunderglauben, nicht wie er in dem Wunderthäter, sondern in denen

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/337&oldid=- (Version vom 1.8.2018)