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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

daß der Teufel den Samen, die Kinder der Bosheit, geschaffen hätte, aber daß er sie zu einem bösen Samen gemacht und mit ihrer Einwilligung hineingesäet hat als Böse in Gottes Saatfeld, diese Welt. Da die Leute schliefen, die wachen sollten, da wagte es der Feind, seinen Samen sich und seinem Willen gerecht zu machen und ihn auszusäen. Der gute Säemann schlief nicht, der schläft und schlummert überhaupt nicht; aber die Leute, die nun hätten auf sein Saatfeld achten und es bewachen sollen, die schliefen. Es gieng, wie im Paradiese: Eva wachte nicht, wo sie hätte wachen sollen, da geschah das Unglück, von dem alle Welt noch jetzt belastet ist. Seitdem geht alles Böse und sein Fortschritt mit einer Unachtsamkeit und Schläfrigkeit derjenigen zusammen, welche durch Gottes Willen Wacht und Obhut haben. – So ist denn also durch Schuld der „Leute“ und des Teufels, die Welt eine gemischte Gesellschaft zwischen Guten und Bösen, – und wie die Pflanzen wachsen, so wachsen Gute und Böse miteinander fort, und das Uebel verdichtet, durchdringt und verwirrt sich immer mehr. Es sieht oft an einem Orte die Mischung nicht so gar böse aus, aber wart nur, es wächst und reift alles allmählich und an der Aernte erkennt man erst die Saat.

 Kannst du’s ändern, daß die Welt ein Gemeng und ein Gemisch ist? Reise, wohin du willst, – es ist überall so und wird so bleiben bis ans Ende. Es gibt und gilt keine andere Ansicht. Selbst die Kirche Gottes, namentlich seitdem die sogenannten Staats- oder Landeskirchen entstanden sind, ist wie ein Theil der Welt anzuschauen. Das ist so gewis, daß manch redlicher Christ und Diener Gottes schon dieß ganze Evangelium auf die Kirche ausgelegt und vergeßen hat, daß Vers 38 die Deutung auf die Welt steht. So laß denn sein, was ist, – willst du weinen, daß es ist, so weine, denn es ist beweinenswerth; aber füg dich, worein dein Gott sich füget, und was Er zugelaßen, das laß um dich und über dich gehen, so lang du lebst und so lang es dauert, nemlich bis zur Aernte Zeit, bis ans Ende der Welt.

 Muß man gleich dem Bösen nicht sein Recht, aber seine Stelle laßen bis an der Welt Ende, wird das nicht anders bis der HErr erscheint; so hat es ja doch seine Grenze, und in der andern Welt wird alles neu. Da gibts einen neuen Himmel und eine neue Erde, wo Gerechtigkeit und nur ein heiliger Same wächst. Es ist ja nicht alles aus, die Hoffnung nicht unberechtigt, weil hier nichts zu hoffen ist. Es gibt eine Hoffnung auf Scheidung von Bösen und Guten und eine völlig reine Kirche. Erwarte nur die Zeit, die ewige Zeit.

 Weil man diese Hoffnung hat, kann man sich gedulden und muß man sich gedulden. Die Geduld ist nicht immer leicht; es ist oft die Macht des Bösen und der Bösen so groß, daß es einem in die Arme und Fäuste fahren will, zuzugreifen und mit Gewalt das Unkraut auszuraufen. Ach, es ist schwer, das Gemisch und Gemeng in seinen Folgen und Wirkungen zu tragen. Die Welt ist um dieses Gemisches willen ein Jammer- und Thränenthal; sie würde ohne dies bei allem Mangel ein Vorhof des Himmels werden und sein. Mag es aber sein, wie schwer es will, wir müßen uns gedulden und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung des großen Gottes und Heilandes JEsu Christi. – Also Geduld! Keine Gewalt, sondern Geduld. Das Lamm Gottes siegt durch Leiden, so auch seine Kirche. – O stärke uns durch Deinen Geist, Deinen Sinn, Du Gotteslamm!


Am sechsten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.
Matth. 17. 1–9.

 EIne wunderbare Geschichte, man lese sie, wie man will. Mitten im Leben der Erniedrigung JEsu steht unvergeßlich den Aposteln der „heilige Berg“, wie ihn St. Petrus 2 Petri 1, 16. nennt, und die Geschichte von der Verklärung. Woher diese Verwandelung JEsu? Fällt dieß Licht auf Ihn von außen her, oder strömt es aus Seinem Innern? Scheint Ihn eine Sonne der Gnaden an, oder ist ER eine Sonne, welche die Nebel der Umgebung durchbricht und so erscheint, wie sie’s immer könnte,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/340&oldid=- (Version vom 1.8.2018)