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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und geheiligt hat. Der dreieinige Name des HErrn geleitet uns zur seligen Uebung jeder gottwohlgefälligen Tugend. Mag nun aber das Fest der allerheiligsten Dreieinigkeit in seinem Verhältnis zu den beiden Hälften des Jahres so oder anders gefaßt werden, so bleibt es doch an und für sich selbst ein Ausdruck der bewundernden Anbetung, welche alle wahren Kinder der Kirche des HErrn durchdringt. – Worüber sinnt die Menschenseele mehr, als über die Gottheit? Wie ein Mensch auch beschaffen sei, immerhin wird er sich doch vor Gottes Augen stellen und über das große Du der geschaffenen Welt, den Ursprung aller Dinge seine Gedanken haben. Je weiser und verständiger, je aufrichtiger und offener ein Mensch ist, desto willkommener wird ihm die Lehre von der allerheiligsten Dreieinigkeit sein, denn sie kommt einem jeden Bedürfnis entgegen, das wir beim Forschen über Gott und Sein Wesen haben können. Wäre Gott nur Einer, so wäre Er nicht vollkommen, weil Er die Liebe nicht sein könnte. Wie könnte Er die Liebe sein, wenn nichts da wäre, was Er lieben sollte, wenn Er Sich das erst durch die Schöpfung verschaffen müßte, und wie könnte Er der allein Selige sein, wenn Er nicht liebte. Ein einziges göttliches Wesen, einsam und selbstgenügsam, könnte auch für die Creatur nicht der Ursprung jener heiligen Lehre sein, welche in die Bruderliebe und überhaupt in die Liebe des Gesetzes Erfüllung verlegte. Es muß eine Mannigfaltigkeit in dem einigen göttlichen Wesen sein, damit es die Liebe sein und die Liebe einen Gegenstand haben und sich zu demselben bewegen könne. Diese Mannigfaltigkeit aber ist vollendet in der Dreiheit, die allein weder zu arm, noch zu reich ist für das göttliche Wesen. Auch eine Zweiheit wäre zu arm und eine Zahl, die über die Dreiheit hinausläge, wäre zu mannigfaltig, zu vielfach für Gottes Wesen. Wie aber eine Dreiheit in Gott nothwendig ist, so ist auch nöthig, daß die Einheit sei und ewig bleibe. Eine Dreiheit ohne Wesenseinheit wäre ebenso wenig vollkommen, als eine Einheit ohne Dreiheit der Personen. Drei gleiche göttliche Wesen sind so undenkbar, als drei, die zu einander im Verhältnis der Ueber- und Unterordnung stehen. Gäbe es drei gleiche, so könnte man es nicht faßen, denn wie sollten drei ohne alle Ueber- und Unterordnung von Ewigkeit zu Ewigkeit nebeneinander stehen können. Gäbe es aber drei über- und untergeordnete, so wüßte man nicht, wie die selige Liebe bestehen könnte, die am Ende nur ihresgleichen vollkommen und seliglich lieben kann. Da hilft allein jene höhere Lehre von der Einheit in der Dreiheit, von dem Einen Wesen der drei Personen. Solcher Gedanken gibt es viele; sie führen und leiten den Bescheidenen und Bedächtigen zur bewundernden Anerkennung der heiligen Lehre von der Dreieinigkeit Gottes, die ein so vollkommener Gedanke und eine so große Wahrheit ist, daß man sie um ihrer selbst willen als ewige Wahrheit annehmen müßte, selbst wenn es möglich wäre, daß der Mensch auf sie geriethe durch eigene Eingebung, ohne Offenbarung. Der Leichtsinnige freilich, der über das göttliche Wesen niemals ernst gedacht hat, sondern sich mit weit wenigerem genügen läßt, mit viel geringeren Gedanken, weiß dieser Lehre eben so wenig zu huldigen, oder sie zu erkennen, als er von sich und seinem eigenen Herzen ein rechtes Urtheil zu fällen vermag. Frevelnd belächelt er eine Lehre, die jenseits aller menschlichen Gedanken liegt, und meistert mit frecher Zunge das Geheimnis, vor dem sich Erde und Himmel neigt. Ihm scheint es fast, als habe er sich in dem unschlachtigen Geschlechte dieser Welt der heiligsten Lehre zu schämen, als wäre es Beschränktheit, die Worte in der heiligen Schrift von der Dreiheit und Einheit ergeben und gläubig anzunehmen. So haschet dann der HErr die gerne Weisen in ihrer Thorheit, während die wahrhaft weisen Menschen sich gerne beschränken, die Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen, das Geheimnis der allerheiligsten Dreieinigkeit glauben und dann allmählich auch mit ihrem armen Verständnis aus den klaren, aber unermeßlichen Tiefen des Geheimnisses schöpfen lernen. – Ich rede von einem Geheimnis, meine Theuren, und von der Klarheit, die es seinen Schülern verleiht, aber ich weiß auch, daß hier mehr anzubeten, als zu verstehen ist. Weitaus am meisten ziemt es mir und lüstet es mich, in die Posaune zu blasen und aller Welt zuzurufen: „Stille vor Ihm alle Welt.“ Man lobt in der Stille anbetender Herzen den dreieinigen Gott. Man betet feiernd an, und wenn die Gemeinde recht still geworden, recht ins Bewußtsein eingetreten ist, vor Gott zu stehen und dreimal heilig singt Dem, der dreimal heilig ist, dann fällt Trinitatisfeier wie Mittagslicht vom Himmel und die Absicht dieses

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 005. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/381&oldid=- (Version vom 1.8.2018)