Seite:Wilhelm Löhe - Epistel-Postille.pdf/400

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Apostel weiß, wie viele Gotteskräfte oftmals ein kämpfend Herz an sich vorübergehen läßt, ohne dadurch ergriffen und gehoben zu werden. Darum gibt er uns die Fülle, darum setzt er hinzu: „dieser Gott aller Gnade wird euch, die ihr hier eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.“ Wir könnten versuchen, diese Worte als eine Verheißung für den Kampf dieses Lebens zu nehmen. Allein, meine lieben Brüder, recht angesehen schließen sie sich mehr an den Gedanken der Herrlichkeit, als an den des Kampfes an und zeigen uns, welche Menschen im Kampfe des Lebens für jene Herrlichkeit reifen. Sie zeigen uns allerdings ein Ziel der sittlichen inneren Vollendung und Heiligung, zu welchem uns der HErr in diesem Leben führen will, damit wir in jenem Leben die ewigen Güter empfangen. Das sieht man deutlich, wenn man die Stellung der Worte bedenkt: „Er wird euch, die ihr hier eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.“ Wer wird vollbereitet? Die hier eine kleine Zeit, die hier ein wenig gelitten haben. Also leide dich als ein guter Streiter JEsu Christi, also stehe im Streite, sei männlich und sei stark; wenns hart hergeht, so gedulde dich, trage dein Leid und deine Noth und laß dir die Zeit nicht lang werden, so lange sie auch dauere. Halte aus, denn das bringt dir eine köstliche Frucht der inneren Vollendung, die ächt petrinisch, das heißt in recht männlicher Fülle und Vollkommenheit in den Worten dargelegt ist: „vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.“ In diesem Kampfe und des Kampfes Geduld lerne man etwas. Denkt Euch den Confirmanden, der in die Welt hineingeht, nicht um sich ihr anzuschließen, wie der Narren Kinder, die nach Unterricht und Firmung zu allen Sünden und Freuden der Welt ein Anrecht und offene Pforten zu haben glauben, sondern als die Kinder Gottes, die nun mit der Welt und ihrem Fürsten den Kampf aufnehmen und den Strauß beginnen. Wie ungeschickt sind sie, wie unerfahren die geistlichen Sachen zu führen, in wie großen Gefahren, bei deren Anblick man Gott und Seine Engel und alle Heiligen auf Erden zu Hilfe rufen möchte. Aber nur getrost und nur frisch hinein; der junge Knabe, der kleine Streiter wird sie schon lernen, die selige Waffenkunst und sein Gott wird ihn darin vollbereiten. Das ist die Verheißung für die unerfahrenen jungen Kämpfer. Wenn man aber auch schon erfahren ist und den Feind und seine Rotten kennt, so kommt man dennoch zuweilen in die Versuchung, man fühlt sich verlaßen von außen und von innen nicht gefördert und nicht unterstützt durch die Umstände und die Gemeinschaft, in der man steht. Dazu bemeistert sich des Herzens eine Schwachheit und eine Mutlosigkeit, daß man innerlich und damit auch äußerlich hinsinken möchte in Trägheit und den Kampf aufgeben, sich verzweifelnd hinlegen und verderben laßen. Da gibts alsdann große Gefahr und bei Voraussicht solcher Zustände große Sorge, Angst und Anfechtung. Aber wozu denn die Angst, die Anfechtung, die Noth; der HErr kennet uns ja, was für ein Gemächte wir sind und weiß, daß wir Staub sind; unsere Schwachheit ist vor Ihm offenbar; ehe wir noch ausgehen um zu beten, begegnet uns schon Seine Verheißung und so bald wir die Noth bemerken, ist auch schon die Erfüllung vorhanden, denn Er will uns ja stärken und kräftigen, Er will uns nicht im Gefühle der Verlaßenheit und in widerwärtigen Umständen, auch nicht im Gefühle der eignen großen Schwachheit zusammensinken laßen, sondern Er wird die Umstände ändern und uns von außen her stärken, dazu auch den gesunkenen Muth erheben und uns innerlich kräftigen. Er hat es an vielen tausend Streitern gethan und hat auch Lust, es an uns zu thun. Wie Er die Gefahren der jungen Kämpfer durch Vollbereitung überwindet, so überwindet Er die Gefahren des länger andauernden Kampfes durch Stärkung von außen und von innen. Er gedenkt aber auch der Alten, der Müden, der Greise in Seinem Heere, deren Gefahren wieder ganz andere sind, als die der Jünglinge und Männer. Sie wißen und kennen und verstehen den Streit. Auch ist ihnen unverborgen, wie die Anfechtung vorübergeht und die Schwachheit von Stärkung und Kräftigung abgelöst wird; aber gewohnt des ganzen Kampfes und Streites, der Welt satt und ihrem Fürsten abhold, wird doch das Herz, das alte, seltener heimgesucht von dem jugendlich frohen Muth und den anmuthigen freudigen Hoffnungsgefühlen, und während man nicht um die Welt ein anderes Theil er wählen möchte, als das man längst erwählte, ist man doch auch in seinem inneren Leben nicht glücklich, hat man doch den erwünschten Fortschritt nicht gemacht,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 024. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/400&oldid=- (Version vom 1.8.2018)