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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

voller innerer Wahrhaftigkeit und in rechter Demuth Dein „nicht werth, nicht werth“ ausrufen zu können. Und doch ist dieß „nicht werth“ unter allen Umständen wahr, und niemals, niemals falsch, und es ist und bleibt in allen und allen Fällen immer nur eine traurige Verirrung oder ein freveliges Beginnen, dieser Zeit Leiden als Verdienst und jene ewige Herrlichkeit als Lohn zu faßen. Wer nicht will streiten, trägt die Krone des ewigen Lebens nicht davon; es wird niemand gekrönet, er kämpfe denn recht; dennoch aber ist gar kein Verhältnis zwischen unserer Arbeit und Noth und jener ewigen Herrlichkeit, und man kann daher auch mehr nicht sagen, als: Es hat Gott nach dem Abgrund Seiner Barmherzigkeit und Gnade gefallen, denen, die Ihm in Leid und Weh des irdischen Kampfes getreu sind, als Gnadenlohn eine ewige Herrlichkeit zu geben. Es hat Ihm gefallen, es lag also nicht im Rechte; nach dem Abgrund Seiner Barmherzigkeit und Gnade, also nicht in Anbetracht eines etwa vorhandenen menschlichen Verdienstes und gerechten Anspruches; einen Gnadenlohn, also einen Lohn, der eigentlich kein Lohn ist, weil er Gnade ist, also eine Gnade, die nicht aufhört, Gnade zu sein, weil sie an ein gewisses Verhalten, an das Verhalten der Treue sich bindet. So ist es. Es ist eigentlich gar kein Verhältnis zwischen den Leiden der Zeit und den ewigen Freuden, aber der allmächtige Gnadenwille hat ein Verhältnis hergestellt. Die Treuen werden mit unaussprechlicher ewiger Herrlichkeit gekrönt, aber sie rufen ohne Ende, sie rufen in Ewigkeit, ehe sie den Gnadenlohn haben und wenn sie ihn haben: „Nicht werth, ja ohne Werth. Der Rede nicht werth sind die Leiden der irdischen Zeit gegen die Herrlichkeit der Himmel, die von Ewigkeit zu Ewigkeit immer neu und ohne Ende uns geoffenbaret und gegeben ist.“

 In dem 18ten Verse, welcher den ersten Theil unseres Textes bildet, ist die Herrlichkeit der Kinder Gottes als eine Theilnahme an der Herrlichkeit JEsu Christi dargelegt. Nun aber, von dem 19ten Verse an, wird diese Herrlichkeit Christi auch auf die unvernünftige Creatur ausgedehnt. So wie Christus gleiches Loos hat mit den Seinen und diese mit Ihm, wie in dieser Welt so in der zukünftigen, so hat auch die ganze Natur mit denjenigen Theil, die Christo anhangen. Sie hat nicht Theil mit denen, die verloren gehen, mit den großen ungezählten Menschenschaaren dieser Welt, für die sie kein Erbe ist und sein soll, sondern mit denen hat sie Theil, die selbst wieder Antheil haben an dem Loose Christi. Denen ist sie zum Eigentum bestimmt. Sie werden Könige sein auf Erden, während der breite Menschenstrom der Ungläubigen sich wie Oel in den feurigen Pfuhl ergießt, der mit Feuer und Schwefel brennt.

 Zwar hat Christus selbst auf Erden ein armes mühevolles Leben geführt, und auch die Seinen haben hienieden keine heimathliche Ruhe, kein sicheres Glück, sondern es geht ihnen nach dem Worte Christi: „In der Welt habt ihr Angst.“ Ebenso ist auch die Natur, so lange diese Weltzeit währt, der Eitelkeit unterthan, weil Derjenige, der sie gemacht hat, sie in das gleiche Loos mit dem Menschen dahin hat fallen laßen. Da bleibt zwar immer einerlei Stoff der Welt, aber die Formen und Gestalten, in die er sich ausprägt, sind vorübergehend und nichtig, so schön und wunderbar sie sein mögen: eine natürliche vergängliche Eitelkeit umgibt die geschaffene Welt. Dazu nimmt der Mensch sie in seine Hände und macht sie seiner geistigen und geistlichen Eitelkeit dienstbar. Es muß alles, was geschaffen ist, den thörichten, eitlen, selbstsüchtigen Zwecken des gefallenen Herren der Creatur, des Menschen, dienen, nicht gern, aber durch Spruch und Willen Deßen, der sie für den Menschen gemacht, und sie auf keiner Stufe ihres Daseins der Mitleidenschaft Seines Lieblings hat entnehmen mögen. Aber obwohl die ganze Creatur auf diese Weise zu einem Leidensstand verurtheilt ist, so ist sie es doch nicht für immer, und wie ihr der Wille dazu gefehlt hat, – ihr, von deren Willen und Unwillen wir hier mit Erstaunen hören; so hat auch der ewige HErr und Gott nicht den Willen, die ehrliche Pracht Seines Königreichs in der Natur für immer in die Bande und Feßeln der Menschen zu schlagen. Im Gegentheil, diese Schmach Seiner Schöpfung ist vorübergehend und weicht am Ende einer Herrlichkeit, welche größer sein wird als die anerschaffene, weil sie nicht bloß ein Triumph des Schöpfers, sondern auch des Erlösers über alle Seine Feinde sein soll, und deshalb nicht bloß als Rettung, sondern als hehre Verklärung Deßen erscheinen muß, der sich von Seinen Feinden keinen Trotz bieten läßt, ohne Seinerseits eine herrlichere Offenbarung Seiner Glorie folgen zu laßen. Darum sagt auch der Apostel, es sei alles der Eitelkeit untergethan auf

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 028. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/404&oldid=- (Version vom 1.8.2018)