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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

es bisher verschmäht habt, euch für die Ewigkeit erziehen und vollenden zu laßen, so laßt euch nun züchtigen. Und wenn ihr erkennet, wie alles mit euch auf Erden leidet, so freuet euch der Mitleidenschaft und übet die heilige Pflicht des Mitleids und Erbarmens, wie euch im Einklang mit der Epistel das Evangelium vermahnt. Amen.




Am fünften Sonntage nach Trinitatis.

1. Petri 3, 8–15.
8. Endlich aber seid allesammt gleich gesinnet, mitleidig, brüderlich, barmherzig, freundlich. 9. Vergeltet nicht Böses mit Bösem, oder Scheltwort mit Scheltwort; sondern dagegen segnet und wißet, daß ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen beerbet. 10. Denn wer leben will, und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, daß sie nicht Böses rede und seine Lippen, daß sie nicht trügen. 11. Er wende sich vom Bösen, und thue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach. 12. Denn die Augen des HErrn sehen auf die Gerechten und Seine Ohren auf ihr Gebet; das Angesicht aber des HErrn siehet auf die, so Böses thun. 13. Und wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommet? 14. Und ob ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch aber vor ihrem Trotzen nicht, und erschrecket nicht. 15. Heiliget aber Gott den HErrn in euren Herzen. Seid aber allesammt bereit zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist.

 DEr Zusammenklang der beiden Texte dieses Tages kann auf eine verschiedene Weise nachgewiesen werden. Das Evangelium von dem Fischzug Petri und die apostolischen Ermahnungen unserer Epistel bieten mancherlei Anknüpfungspunkte für denjenigen, der sie finden und benützen will. Da könnte man die Reden des heiligen Petrus, welche er Christo gegenüber im Evangelium führt, mit seinen eigenen Vermahnungen, die er namentlich Vers 10 und 11 unseres Textes von dem richtigen Gebrauch der Zunge an die Fremdlinge hin und her schreibt, vergleichen, dort die noch vorhandene Maßlosigkeit seiner temperamentlichen Anlage, hier die männliche Vollendung im heiligen Maße finden, und was dergleichen andere Vereinigungsversuche sein möchten. Man könnte aber auch einfach sagen: das Evangelium zeigt uns, wie Petrus zum Menschenfischer gewonnen werden sollte, die Epistel aber zeigt den vollendeten Menschenfischer selbst; oder das Evangelium zeigt den Menschenfischer Christus, die Epistel aber den ihm gleich gearteten Menschenfischer Petrus. Indes mögen diese verschiedenen Vereinigungsversuche, sofern sie nicht schlagend genug sind, wohl auch beweisen, daß uns der Sinn der alten textwählenden Kirche für dießmal so unzweifelhaft und deutlich nicht entgegentritt, wie es sonst wohl der Fall ist. Doch entgeht uns damit nicht Gottes Wort, wenn wir einmal die Wahl der Kirche nicht so klar sehen, wie sonst immer, und was wir alle bedürfen, die Leitung des guten Hirten auf dem rechten Wege zum ewigen Leben, das wird uns ja gerade in unserer Epistel, von der wir zu reden haben, in recht vollkommener Weise gegeben.

 Unser Text zerlegt sich in zwei größere Abtheilungen, deren eine die Verse 8–12 umfaßt, die andere aber sich von Vers 13–15 erstreckt. Die erste Abtheilung ist selbst wieder zweitheilig. Denn Vers 8 und 9 enthalten Ermahnungen zu einem liebevollen und geduldigen Christenwandel, während Vers 10–12 eine Art von Begründung durch alttestamentliche Sprüche gegeben ist. Dabei ist der Wandel in seiner doppelten Beziehung auf das Leben innerhalb der Kirche und im Umgang mit anderen der Kirche fremden Personen gezeigt. Die schönen Worte Petri können uns zum Spiegel dienen, um

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 032. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/408&oldid=- (Version vom 1.8.2018)