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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

doch eine allbekannte Erfahrung, die sich auch gleich in dem nächsten Verse des Textes spiegelt, daß Leiden ohne Zahl und Haß ohne Maß den Weg der Kinder Gottes mit Dornen umzäunt. Es muß daher der Sinn des heiligen Apostels, wenn er ausruft: „Wer ist der euch schaden könnte“ jedenfalls nicht auf die leibliche Unverletzlichkeit gehen, sondern vielmehr auf den Seelenschaden, der dem leidenden Christen von dem Satan, seinem Widersacher, mehr vermeint ist, als aller Leibesschaden. Der Sinn der Worte Petri kann kein anderer sein als der: wenn jemand dem Guten so nachkommt, wie es im ersten Theile des Textes enthalten ist, und treu verbleibt unter allen Hindernissen, von der geraden Bahn des Wohlverhaltens sich nicht abweisen läßt, so kann niemand, keine Welt und kein Teufel, einem solchen Menschen einen wahren und andauernden Schaden beibringen, sondern es geht wie bei dem heiligen Hiob, der nach allen seinen Leiden und Anfechtungen zum Preise Gottes gerecht erfunden wurde und den auffallendsten Segen Gottes ererbte; es geht wie bei den heiligen Märtyrern, die durch feurige Todesqualen mit heiler Seele hindurchdrangen und überdieß zu Lohn und Krone gelangten. Weit entfernt daß sie einen Schaden von allen ihren Leiden gehabt hätten, war vielmehr die Hand Gottes über ihnen, welche sie bewahrte zum ewigen Leben. Es liegt also in unserer Stelle die unwidersprechliche Lehre, daß Leiden und Qualen, mögen sie auch noch so sehr zum Schaden der Christen gemeint sein, so weit sie von andern abhängen, kein Unglück, nicht zu fliehen, nicht so anzusehen sind, als könnte damit die Vollendung und endliche Erlösung des Menschen nicht zusammen gehen, ja daß sie vielmehr einen unläugbaren göttlichen Segen und die Verheißung haben, daß man durch sie hindurchdringen soll und zum ewigen Glück gelangen, so doch, als durchs Feuer. Daher schließt sich auch gleich in dem folgenden Verse der weitere Zuruf des heiligen Petrus an: „Und ob ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig.“ In diesem Satze scheint es, als wollte der Apostel sagen: Trotzdem, daß ihr zu leiden habet, seid ihr selig; das deutsche Wörtchen „doch“ verführt zu dieser Auffaßung. Dieß Wörtchen steht aber im Griechischen nicht und der Zusammenhang rechtfertigt vielmehr eine andere Auffaßung, die nemlich: ob ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr ja doch nur selig zu preisen; gerade deshalb, weil euch also geschieht, seid ihr selig zu preisen; ihr habt kein bedauernswerthes, ihr habet ein seliges Loos, wie denn auch der HErr zu den Seinen in der Bergpredigt gesagt hat: „Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolget werden, denn das Himmelreich ist ihr; selig seid ihr, wenn euch die Menschen um Meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen, denn es soll euch im Himmel wohl belohnt werden.“ Obwohl die Stelle, die wir in unserem Texte vor uns haben, zunächst das Loos des Leidens selbst als ein glückliches und herrliches hinstellen soll, und von einem inwendigen Gefühle der Seligkeit, das bei den Leiden wäre, weniger die Rede ist, als von dem Preis und Werth und den herrlichen Folgen der Leiden, so darf man doch behaupten, daß mitten im Leiden selber auch eine Freude und eine inwendige Seligkeit verborgen liegt. Wäre das nicht der Fall, so würde der HErr nicht zu den Leidenden sagen: „seid fröhlich und getrost, es soll euch im Himmel wohl belohnt werden“. Er gebeut nichts, was Seinen Heiligen nicht möglich ist; weil Er nun Freude gebeut, so muß die Freude auch möglich sein, wie das ja viele Tausende erfahren haben. Man kann daher sagen, daß ein Christ in Verfolgungsleiden nicht bloß ein ruhiges Bewußtsein von der Herrlichkeit seines Standes haben, und nicht bloß eine Ueberlegung und verständige Betrachtung über den hohen Werth seiner Leiden anstellen könne und solle, sondern daß er auch mit dem herzlichen Gefühle der Freuden angethan, seinen Dornenweg gehen könne.

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 So hätten wir also in unserem Texte gesehen, wie nach St. Petri Lehre die Unverletzlichkeit unschuldiger Christenmenschen, hernach aber das Glück der äußeren Leiden bei inneren Freuden vorgelegt wird. Diese Freude aber soll nun in uns also um sich greifen, daß sie Stärke wirkt, Stärke und Muth in den Anfechtungen und Leiden der Zeit. Dieser Fortschritt ist es, der sich in den Worten des Apostels ausspricht: „Fürchtet euch aber vor ihrem Trotzen nicht und erschrecket nicht, heiliget aber Gott den HErrn in Euren Herzen“. Diese Stelle ist, wie bereits oben angedeutet, ein Wort des alten Testamentes im Propheten Jesaias 8, 12. 13.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 037. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/413&oldid=- (Version vom 1.8.2018)