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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Indem der Apostel sie gebraucht, kommt sie mit verstärkter Kraft in unsere Ohren als ein Wort beider Testamente. Derselbe Gedanke aber, daß die Freude am HErrn die Seele stark machen soll, findet sich auch sonst in der heiligen Schrift. Männiglich bekannt ist das Wort des alten Testamentes: „die Freude am HErrn sei eure Stärke.“ Wenn also ein Mensch den Beruf seines Leidens hochschätzt, und sich die mit demselben verbundene Freude und Wonne ins Herz gießt, so bekommt er auch die Macht, Furcht und Schrecken der Feinde mit kühlem Blute anzusehen, ohne Aufregung zu bleiben, in getroster Ruhe das Branden der Wogen anzuhören, die an den Grund unseres Heiles, wie an einen Felsen im Meere anschlagen. Weit entfernt, daß man sich vom Lärm der Welt bewegen ließe, sich mit seinem Christus in die Heimlichkeit zurückzuziehen und Ihn zu verbergen, heiligt man Ihn vielmehr in seinem Herzen, das heißt man erkennt Ihn für weit erhaben über alle Feinde und deren Macht, für den Heiligen Gottes, Dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, wider Den auch die blutigste Wuth seiner Feinde doch nicht mehr wirken kann, als eine Schaumwelle. Ihn, Seine leuchtende Größe, Macht und Ehre erkennt der Christ gerade dann am meisten, wenn die Welt am meisten Staubwolken aufwühlt, Staubwolken ihrer Schrecken, um damit den HErrn vor den Augen Seiner Gläubigen zu verbergen. Es ist das allerdings nichts Kleines, Christi Ehre und Furcht ist unsichtbar, während Furcht und Schrecken der Welt dem Menschen sinnlich nur allzu nahe tritt. Das Unsichtbare, Geistliche, Ewige weicht oftmals vor dem Zeitlichen, Irdischen, Vergänglichen völlig zurück, scheint selbst wie nichts zu sein, während das Nichts dagegen großmächtig und fürchterlich erscheint. Bei dieser allgemeinen Verkehrtheit aller menschlichen Dinge ist eine wahre Anschauung und Betrachtung schwer festzuhalten und wer es dennoch kann, der kann es nicht von Natur, sondern er besitzt eine Gnade des heiligen Geistes, welche er hoch anzuschlagen hat. Die Stelle in Jesaia spricht das im Grunde noch stärker aus, denn sie lautet im Zusammenhang: „Heiliget den HErrn Zebaoth, Den laßet eure Furcht und Schrecken sein, so wird Er eure Heiligung sein.“ Anstatt der Furcht also, welche die Welt mit ihrem Trotzen einjagt, soll der HErr Zebaoth, oder wie unser Text sagt, Christus gefürchtet werden, und dabei die Aussicht entstehen, daß alsdann Er die Seinigen heiligen werde, wie sie Ihn heiligen, daß der HErr sie auszeichnen werde vor aller Welt, wie sie Ihn über alle Dinge erhöhen und als erhaben über alles erkennen.

 Diese steigende und hoffnungsvolle Heiligung JEsu und Furcht vor Ihm wirkt mit der oben angegebenen Freudigkeit zusammen die inwendige Entschloßenheit und Bereitschaft, den HErrn vor aller Welt zu bekennen, des Glaubens an Ihn und der Hoffnung zu Ihm allzeit und vor jedermann, der Grund fordert und Antwort heischt, Rechenschaft zu geben und das ohne Aufregung, mit Sanftmuth und in der Furcht des von der Welt verachteten und angefochtenen Christus.

 Hier sind wir zum Ende und Gipfel unseres Textes gekommen, und wenn man von diesem Gipfel aus rückwärts blickt auf alles, was wir heute aus St. Petro gelernt haben, so bekommen wir das Bild eines glänzenden und leuchtenden Märtyrers oder Confessors, wie er nur immer sein kann. Unsträflich im Wandel innerhalb und außerhalb der Gemeinde steht er mit dem guten Gewißen und mit der Zuversicht und Ruhe eines unverletzlichen Wesens vor allen Augen. Aber die Welt haßt, verfolgt ihn, überschüttet ihn mit Leiden ohne Zahl. Dadurch wird er gehoben, statt niedergedrückt, er fühlt die Würde seines Weges, ein unbegreifliches Glück durchdringt ihn, die brüllende Welt erschreckt ihn nicht, dagegen aber fürchtet er sich, den unsichtbaren Christus zu beleidigen, der HErr und Heiland erfüllt ihn mit solcher Anbetung und einer solchen muthigen Freudigkeit, daß er mit aller Sanftmuth und Gottesfurcht seinen Glauben und seine Hoffnung vertheidigt und das Hohngelächter der Welt in den Wind schlägt. –

 Da habt ihr noch einmal in kurzem die Uebersicht des Textes. Wer die Lebensläufe und Leidensgeschichten der alten Bekenner und Märtyrer gelesen hat, der wird es bezeugen können, daß einem in ihnen eine Treue gegen das apostolische Wort entgegentritt, die fast wie eine Copie durch Leben und Beispiel sich ausnimmt. Man könnte sagen, entweder gibt Petrus in unserem Texte ein reines Abbild vom Benehmen der alten Christen, oder die alten Christen malen mit ihrem Leben wie mit kräftiger blühender Farbe, was Petrus beschrieben

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 038. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/414&oldid=- (Version vom 1.8.2018)