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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

man wie das Samenkorn, wie Christus, mit Christo in die Erde gelegt, um zu ersterben; hier wächst man aber auch mit Ihm hervor, mit Ihm von Gottes Hand gepflanzt zu gleicher Auferstehung des Lebens. Hier ist der Quell, der Bach, an dem die immergrünen Bäume wachsen, deren Blätter nicht fallen, deren immer neue Früchte unaufhaltsam reifen. Hier ist alles geistlichen, wahren Lebens, ja alles ewigen Lebens Anfang und Ursprung. Selig ist wer glaubet und getauft wird. Ewig wohl allen gläubigen Täuflingen JEsu. Wohl auch Euch allen, die ihr getauft seid und mir, wenn wir in gläubiger Bekehrung unserer Taufe Gnade faßen und in den Garten unseres Lebens die Waßer leiten, aus denen wir wiedergeboren sind. Der HErr unseres Bundes und unserer Gemeinschaft sei uns gnädig und helfe uns, Er wecke in uns die Kraft unserer Taufe, den Glauben unserer Taufe und alle die selige Gemeinschaft des Todes und Lebens Christi, die sie stiftet. Amen.




Am siebenten Sonntage nach Trinitatis.

Römer 6, 19–23.
19. Ich muß menschlich davon reden, um der Schwachheit willen eures Fleisches. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habe zum Dienst der Unreinigkeit, und von einer Ungerechtigkeit zu der andern: also begebet nun auch eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden. 20. Denn da ihr der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. 21. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn das Ende derselbigen ist der Tod. 22. Nun ihr aber seid von der Sünde frei, und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, daß ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. 23. Denn der Tod ist der Sünden Sold, aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben, in Christo JEsu, unserm HErrn.

 ZWischen dem heutigen Evangelium und der Epistel ist ein Zusammenhang nicht nachzuweisen, es geschehe denn durch geistliche Deutung. Das Evangelium handelt von der Heilung des Aussätzigen und des gichtbrüchigen Knechtes des Hauptmanns von Capernaum; die Epistel aber von dem Sonst und Jetzt unserer Freiheit und Knechtschaft, und von den verschiedenen Früchten der beiden Arten von Freiheit und Knechtschaft. Da greife nun jemand einen Zusammenhang des Hauptinhalts heraus, ohne geistlich zu deuten. Der Aussatz, die schmerzenreiche Gichtbrüchigkeit sind theils Bilder, theils aber auch fernentlegene Folgen der Knechtung unserer Seelen unter die Sünde und unserer Freiheit von der Gerechtigkeit. Hier liegt auf einmal ein Zusammenhang zu Tage, der von einzelnen Umständen beider Texte ziemlich kräftig unterstützt und als der wahrscheinliche Sinn und Zielpunkt derer, welche die Texte wählten, bestätigt werden kann. So sagt z. B. der Hauptmann von seinem Knechte im Evangelium, „er sei furchtbar gequält und gepeinigt“, ein Ausdruck, welcher an die Qual der Sclaverei unter einem bösen Herrn und an die furchtbaren Geißelhiebe erinnern kann, welche arme Sclaven oftmals zu erdulden haben. Anderntheils zeigt der Ausdruck „Tod“, unter welchem die Epistel die Früchte der Sündensclaverei zusammenfaßt, auf ein verwandtes Gebiet des Aussatzes und der Gichtbrüchigkeit, und wenn er auch nicht zunächst den leiblichen Tod bedeutet, der aller Krankheiten Ende ist, so benennt er doch den geistlichen Zustand, welcher Quell und Ursprung aller Leiden und auch des zeitlichen Todes ist. Ist manchem dieser Nachweis des aufgezeigten Zusammenhangs aus Nebenumständen zu gering, so darf man doch zur Vertheidigung sagen, daß gar oft der Zusammenhang der Texte durch die Nebengedanken

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 045. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/421&oldid=- (Version vom 14.12.2022)