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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

beruft sich auf seine gewaltigen Erfolge in Corinth, auf den geschenkten göttlichen Segen, welcher ihn und sein Apostolat genugsam empfehlen könne. Das konnte als Vertrauen auf eigene Kräfte und als Ruhm eigener Tüchtigkeit erscheinen. Selbstsucht, Hoffahrt, Eitelkeit waren also die Namen, welche von den Feinden Pauli ihm und seinen Reden beigelegt werden konnten.

 Gegen den Ruhm des Vertrauens auf eigene Kräfte sagt nun der Apostel Vers 4: „Ein solch Vertrauen haben wir aber durch Christum zu Gott“; – gegen den Vorwurf des Ruhmes eigener Tüchtigkeit aber spricht er: „Nicht daß wir tüchtig sind, von uns selbst etwas zu schließen als von uns selbst (aus uns selbst heraus), sondern unsre Tüchtigkeit ist aus Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des Neuen Testamentes.“ Wenn er also die corinthische Gemeinde seinen Empfehlungsbrief nennt, der von allen Menschen eingesehen und gelesen werden könne, nicht mit Dinte, auch nicht auf Stein, sondern mit dem heiligen Geiste und in die Herzen eingeschrieben sei; so sieht der heilige Apostel nicht auf sich selbst, nicht auf seine Kräfte. Er hält vielmehr den Erfolg in Corinth für groß genug, um ihn als eine Folge der Vertretung und Fürbitte Christi anzusehen, er hat die Zuversicht und das Vertrauen durch Christum zu Gott, daß in Corinth etwas Außerordentliches und Göttliches geschehen sei, eine göttliche That vor Augen liege. Unter solchen Umständen solche Erfolge errungen zu sehen, das erweckt ein Vertrauen zur Fürbitte Christi und zur Wirkung Gottes: das muß Gott gethan haben und nicht Menschen, – und alle Menschen sollen es zu Gottes Lob und Preis auch einsehen. Ist aber das, so ist damit ohnehin schon gesagt, wie wenig der Apostel auf sich selbst und seine natürliche Tüchtigkeit vertraut. Zu denken und Schlüße zu machen, wie sie Paulus in seinem Amte und z. B. Kapitel 2 und 3. des zweiten Briefes an die Corinther machte, – das geht weit über den Horizont eines natürlichen Menschen, – und so vorwärts zu gehen mit Satz und Folgerung und Schluß und Lehre, wie wir es aus dem Munde des heiligen Apostels vernehmen, so wie wir nur irgend eine seiner Reden, einen seiner Briefe aufschlagen, das liegt über Menschenmöglichkeit hinaus. „Daß wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns tüchtig gemacht hat das Amt zu führen des Neuen Testamentes.“ Also nicht einmal St. Paulus darf sich einen Schluß und eine Folgerung, geschweige mehr zutrauen, wenn er seines Amtes waltet, es sei denn Gott mit ihm. Also leitet er alle seine Tüchtigkeit, zu schließen, zu lehren, das Amt zu führen von einer besonderen, nicht natürlichen, nicht angeborenen, sondern von einer Gnadengabe, von einer Amtsgabe her. Ein Verfahren, das andere, geringe Geister und Lehrer eines Theils sehr in die Demuth weist, aber auch anleiten muß, wohl Acht zu haben, daß nicht etwa der Satan natürliche Schlüße und Reden als göttliche darstelle. Soll Gott wirken, so muß deine Seele feiern. Sollst du göttliche Schlüße faßen und sagen dürfen, so muß in dir Sabbath sein, Stille, die Feier der Demuth und Selbsterkenntnis, die arm und elend im Staube liegt, die Eigenheit verurtheilt und von jeglichem Worte leben will, das aus Gottes Munde geht. Ach, man geht in göttlichen Dingen eine schmale Bahn. Man schließt, man vertheidigt und lehrt oft Schlüße, man vertheidigt sie mit dem Ansehen des aufhabenden Amtes – und doch ist vielleicht falsch, was man thut und vornimmt. Harre auf Gott – entledige dich deiner, horche auf Ihn, lausche auf Seine Rede, übe scharfes Selbstgericht, demüthige, beuge dich – und empfang in tiefer Stille Schluß und Gedanken aus dem Worte Gottes. Tiefe Demuth bereitet für den göttlichen Einfluß, und die Schrift wird klar dem, der sein Auge für Eitles, sein Herz für Leidenschaft schließt und alleine Gott und Seinem Geiste leben will. Es ist ein himmlischer, schmaler Weg, auf dem Gott zum Amte und den heiligen Reden des Amtes tüchtig macht, – die Natur aber ist ein unfruchtbarer oder böser Baum, wenn sie sich in Gottes Werke will mengen.


 Wir stehen nun daran, den Grund und die Ursache zu vernehmen, um deren willen St. Paulus das Amt so sehr preist. Wir werden dabei wieder, wie bei den schon vorgetragenen zwei ersten Hauptgedanken des Textes verfahren müßen. Wie nemlich die Veranlaßung unsers Textes nicht dargelegt werden konnte, ohne die Abwehr der falschen Beschuldigung, welche der Text enthält, zu berücksichtigen; so

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 083. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/459&oldid=- (Version vom 1.8.2018)