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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Kirche Gottes. Am Bräutigam selbst hangend wird es sein Gebet, seine Sorge, sein Flehen, seine Sehnsucht, seine Hoffnung und zuversichtliche Erwartung, daß alles vollendet werde, was der Kirche verheißen ist, und daß sie, sicher wie ein Kind an der Hand des starken Vaters, an der Hand JEsu ihren Lauf vollenden und ihr Ziel erlangen möge. Wem es aber so zu Muthe ist, auch wenn ihm die hohe Lebensstufe noch nicht gegeben ist, welche St. Paul den Ephesiern erbittet, der gewinnt auch Lust am Lobgesang Pauli, und gewis, daß alle Gebete Pauli und aller Heiligen in Erfüllung gehen, stimmt er die Harfe und greift in die Saiten und singt das hohe Lied Pauli von der Vollendung der Kirche mit Freuden und mit Wonne.

 Wohlan, die Herzen in die Höhe, damit wir im ersten Verse des Lobgesangs die Kraft und Macht Deßen preisen, der in uns wirkt und wirken kann über Bitten und Verstehen, damit wir Sein über Bitten und Verstehen hinausgehendes Thun zum Heile der Menschheit und der Kirche begreifen. Die Herzen in die Höhe, damit wir nach dem zweiten Verse in der Gemeinde und in Christo JEsu Herrlichkeit und Ehre Dem alleine geben, der sie alleine hat, – Dem sie auch bleiben muß von Geschlecht zu Geschlecht, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Alle Geschlechter sind gesegnet in Ihm durch den Bau Seiner Kirche; alle Aeonen, alle Ewigkeiten sind Seiner Ehren voll, weil ER Seine Kirche von Ewigkeit zu Ewigkeit vollendet und erfüllt mit Seiner Gottesfülle die Auserwählten aus allen Nationen und Zeiten. Die Herzen in die Höhe und dem heiligen Chorführer nachgefühlt, nachgesprochen, nachgesungen: Dem, der da kann überschwänglich thun über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirket, Dem sei Ehre in der Gemeine und in Christo JEsu in alle Geschlechter der Zeiten und Ewigkeiten. Amen.




Am siebenzehnten Sonntage nach Trinitatis.

Eph. 4, 1–6.
1. So ermahne nun euch ich Gefangener in dem HErrn, daß ihr wandelt, wie sichs gebühret eurem Beruf, darinnen ihr berufen seid. 2. Mit aller Demuth und Sanftmuth, mit Geduld, und vertraget einer den andern in der Liebe, 3. Und seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist, durch das Band des Friedens. 4. Ein Leib und Ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. 5. Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, 6. Ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch alle, und durch euch alle, und in euch allen.

 DAs Evangelium dieses Sonntags erzählt von dem Gastmahl eines Obersten der Pharisäer, an welchem unser HErr nach Seiner Leutseligkeit und Menschenfreundlichkeit Theil nahm. Bei diesem Mahle war auch ein Waßersüchtiger anwesend, welchen der HErr angesichts der bigotten Juden von seiner Krankheit heilte. Darauf gieng es zum Eßen, die Gäste begannen sich zu lagern, und der HErr gab ihnen nun die schöne Lehre von der heiligen Tischzucht und der Rangordnung derer, die zum Hochzeitmahle geladen sind. Wie sich Vorbild und Gleichnis zu dem Urbild und der Erfüllung der Gleichnisse verhält, so verhält sich das hohe Evangelium zu dem epistolischen Texte. Nicht von dem hochzeitlichen Mahle eines Menschen, aber wohl von dem Hochzeitmahle des Sohnes Gottes handelt die Epistel, also von der Hochzeit, die unser HErr bei dem heutigen Evangelium ohne Zweifel mehr im Sinn hatte, als das Gastmahl des Pharisäers und die Rangordnung hochmüthiger Juden. Ebenso: zwar nicht von dem Verhalten bei Tisch, wohl aber von dem Verhalten der Hochzeitgäste Gottes bei dem himmlischen Hochzeitmahle,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/490&oldid=- (Version vom 1.8.2018)