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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

ist, aber die Taufe Seiner voll, und daß man mehr zur Taufe als zur Krippe einkehren muß, wenn man Den umfangen will, der für uns geboren, für uns gestorben ist, und für uns ewig lebt.

 Damit jedoch nicht ich allein zu predigen scheine, sondern meine Worte die Kraft apostolischer Wahrheit bekommen, so behandle ich den Hauptsatz meines Textes wie einen Kranz von schönen Blumen oder von Juwelen, und hebe Euch nach einander eine schöne Blume, einen glänzenden Juwel, ein heiliges apostolisches Wort nach dem andern in die Höhe, und halt es euch vor die Augen und bring es vor eure Ohren, auf daß ihr merket, wie gar nicht allein ich oder meines Gleichen, oder nur die Kirche, sondern auch Gottes heilige Apostel Ruhmes und Preises voll sind von der Taufe.

 Er hat uns selig gemacht und gerettet,“ wodurch? Durch das Bad der Wiedergeburt und Erneurung im heiligen Geiste. Also durch ein Bad hat Er uns selig gemacht. Der sich nicht geschämt hat, unsre Menschheit persönlich anzuziehen und im Fleische uns zu erlösen, der schämt sich auch nicht, jene Creatur, welche schon am ersten Tage der Schöpfung die Welt umwallte, das Waßer, zu einem Mittel unsrer Seligkeit zu machen, und wie man das Waßer braucht, den Leib zu reinigen, so verordnet er uns dasselbe zu einem Seelenbade, ja zu einem Bade des ganzen Menschen. Der Hindu wäscht sich im Leben und Sterben mit seinen Waßern und glaubt sich in Zeit und Ewigkeit Heil dadurch zu schaffen; der arme Träumer! Was helfen seine Waßer und seine selbst erwählten Waschungen? Sein Thun ist wie eine arme Ahnung, oder wie eine schwache Erinnerung ohne Klarheit, seine Hochschätzung des Waßers ist nichts. Dagegen aber wir haben Ursach, den Gott zu preisen, der die Waßer erschaffen hat, der ihnen erquickende und heilende Kraft für den durstigen, müden, kranken Leib verliehen, und ihnen in Seinem Sakramente auch eine ewige Kraft vermählt hat, die Seelen selig zu machen. Des Waßers höchster Preis ist, zur Taufe zu dienen. Darum umwallt es mit solcher Kraft und solchem Stolz die Welt, wird eine brausende Sintfluth aller derer, welche wie Kains Kinder, die Sünde für mächtiger halten als die Gnade, aber ein rettendes Element für alle, die auf Gnade hoffen. O zerstörendes Element, wenn es dem Zorne Gottes dient, aber auch, o gnadenreiches Waßer des Lebens, o Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, o durchgeistetes, heiliges, wundervolles Waßer, wenn es sich Dem zu Füßen legt und dienet, der uns taufen will!

 Sind es nicht große, schöne Worte, wenn M. Luther im Katechismus das Waßerbad der Taufe ein gnadenreiches Waßer, wenn es St. Paulus ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geiste nennt, wenn es andre der alten Zeit ein durchgeistetes Waßer nennen? Gewis prachtvolle Ausdrücke, aber weder übertrieben noch übertreibend. Das Werk lobt den Meister, und nach der Wirkung beurteilt man die Ursache richtig. Es gibt eine fleischliche Geburt, aber was nützt sie? Was hilft es geboren zu sein, wenn das Leben, in das hinein wir geboren sind, ein sündiges, verlorenes und von Gott verfluchtes ist? Und so ist doch unser irdisches, fleischliches, zeitliches Leben! Es muß eine Aenderung mit uns vorgehen, wenn wir hoffen, wenn wir hier zufrieden und dort selig werden sollen, – eine Aenderung, die wieder austilgt, was in uns hineingeboren ist von Adam her, eine Umänderung des ganzen Wesens, die sich auf alle unsre Fähigkeiten und alle unsre Kräfte ausdehnt, – eine Wiedergeburt, eine Erneuerung, die uns wieder in den Stand zurückbringt, den wir von Ur an hatten, und wenn auch nicht den goldnen Zustand der Unschuld, doch einen noch höheren und beßeren, nemlich den der völlig überwundenen, versöhnten und durch Gerechtigkeit erstatteten Schuld herstellt. Und das eben ist Ziel und Wirkung des Waßerbades, der Taufe. Wenn ein Kind zur Taufe getragen wird, so sieht das Auge vor und nach der Handlung dieselbe Creatur; keine Aenderung erscheint; vielleicht ruft der Waßerstrom, wie es oft der Fall ist, ein Misbehagen in dem kleinen Wesen hervor und ein unliebenswürdiges, häßliches Gebahren, so daß das Gegenteil der gewünschten Umänderung und ersehnten Neugeburt in’s Auge tritt. Missionare haben erzählt, daß getaufte Kinder anders sterben, als ungetaufte. Aber wie ganz ähnlich allen Ungetauften verhält sich jedenfalls im Leben ein getauftes Kind. Daher hat man auch gesagt, es müße zur Taufe eine christliche heilige Erziehung kommen, die erziehende Gnade müße den Schatz heben, welcher durch die Taufe in das Kind gelegt worden sei. Eben

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 048. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)