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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

uns am Ende unsers Textes entgegentritt. So wie manchmal, wenn Wetter Gottes gehen, sich der Donner prachtvoll rollend wie in einem Hintergrunde verliert, so ist es, wie wenn umgekehrt, in wachsender Kraft und Macht aus der Ferne der Zukunft ein voraneilender Donner Deßen, der kommen wird, unser Ohr erreichte und uns vorbereiten wollte auf das Ereignis ohne Gleichen, auf das Ende. Das Jahr geht zu Ende. Die Erquickung der frommen Kämpfer, die Rache des HErrn über die, welche dem Evangelio nicht gehorchen, ist, wie zur Wahl, aber auch zur ernsten Mahnung recht zu wählen, vor unser Auge getreten, – und ein Dank apostolischer Lippen für allen Glauben, alle Liebe, alle Geduld der Heiligen bis an’s Ende ertönt wie zum Jahres-, ja zum Weltlaufs-Abschluß. Aller Lohn und alle Strafe des HErrn geht vor Ihm her – unter dem Danke der Apostel, – und dann kommt ER Selbst, hehr und heilig, groß und mächtig. „Sehet gen Aufgang“, rief in der alten griechischen Kirche der Diaconus vor dem Sacramente, ehe der HErr kam, Seine sacramentliche Gegenwart zu erzeigen. Bei einem Texte aber, wie unser heutiger, muß man gleichfalls rufen: „Sehet gen Aufgang“, denn es erscheint im Worte, – wer weiß, wie bald in Wirklichkeit, – die Offenbarung JEsu Christi. Dann werden Ihn schauen, die in Ihn gestochen haben, und sie werden Ihn klagen, wie ein einiges Kind.

 Woher wird kommen die Offenbarung unsers HErrn? „Vom Himmel her,“ antwortet der Text. Wohin der Edle über Land gegangen, daher kommt Er. Von der Erde gieng Er, zur Erde kommt Er wieder. Die Erde verließ Er, um für sie den Himmel zu erobern; zur Erde kommt Er, auf daß Er sie für den Himmel einnehme, und sie wie einst zur Perle des Himmels, zum Wohnsitz Seiner ewigen Majestät mache. Es ist eine Heimfahrt JEsu, wenn Er kommen wird; Er will die Erde, die eine Weile um der Sünde willen Seiner Füße Schemel war, wieder zu Seinem Haus und Stuhle machen. Muß Er auch Seines Vaters Haus, wie einst den Tempel, furchtbar reinigen: Er wird Sich helfen und dann bei den Seinen wohnen. Zum Himmel schauen wir bis zur verheißenen Zeit des Endes; dann aber werden wir mit JEsu die Erde lieben und uns mit dem ganzen Himmel zur Liebe der Erde bekehren.

 Kommt Er allein, wenn Er kommen wird oder in Begleitung? Und wenn, – wer kommt mit Ihm? „Er kommt mit den Engeln Seiner Kraft.“ Seine Engel bekommen zu thun, wenn Er kommt. Sie heißen und sind nicht umsonst Engel Seiner Kraft. Da ergeht die Stimme Michaels, des Erzengels, da hört man den Ton der Posaune, wunderbar tönt es, – und der Streit, die Schlacht, welche geschlagen wird, ist, ha! wie gewaltig. Es ist hier nicht von bildlichen Redensarten zu schwatzen; nein, das alles wird mit unwiderstehlicher Wirklichkeit hereinbrechen in die Welt. Wie wird sie beben, wenn die königlichen Heere kommen und ihr Getöne die Lüfte füllt!

 Und wenn um den HErrn her und von Ihm und Seinem Auge weithin Feuerflammen wehen, (denn Er kommt, wie wir Vers 8 lesen, in flammendem Feuer, im Feuer der Flamme, in feurigen Flammen): wer wird Seinem Feuer, Seinen Flammen widerstehen? Wer wird den Feuerflammen Seines Auges widerstehen können? Wer wird sich nicht schon bei Seinem Nahen überwunden fühlen? Was wird dann der Allmächtige für einen Aufenthalt finden? Er wird mehr richten, als siegen, Sein Sieg wird Gericht sein. Vor Ihm welkt die Welt selbst, wie ihr Muth, – vor Ihm, Seinen Engeln, Seinem Feuer fällt hin die Macht des Teufels und seiner Engel, wie im Garten die Häscher. Zumal wenn nun ausgeht Sein Wort und vernommen wird Sein Gericht, und kund wird von Seinen Lippen die Rechtfertigung Seiner Wege und die Offenbarung aller Bosheit des widerwärtigen Reiches.

 Was aber wird sein das Gericht Seines Mundes? Daß „Rache komme über die, welche Gott nicht kennen, und dem Evangelio unsers HErrn JEsu Christi nicht gehorchen,“ Rache im Feuer, das um Ihn her ist, und welches Seine Feinde ergreifen wird. Dies Feuer wird nicht verlöschen und in ihm werden brennen, aber nie ersterben, die von ihm erfaßt werden. Denn die Strafe, welche über die Gottlosen kommen wird, wird „ewiges Verderben sein, fern vom Angesichte des HErrn und von der Herrlichkeit Seiner Macht.“ Ferne sein vom Angesichte Gottes, was ist

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/552&oldid=- (Version vom 1.8.2018)