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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Zweifler ist aber die Schaar derjenigen sehr verschieden, welche St. Petrus schildert. Diese Menschen sagen nicht bloß: „Wo bleibt die Verheißung der Zukunft Christi? Seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen ist“; sie lästern und spotten nicht bloß, sondern „sie wandeln nach ihren eigenen Lüsten.“ Sie haben also nicht bloß die Hoffnung, sondern auch Glauben und Liebe weggeworfen und sind schiffbrüchig worden auf der Fahrt zum ewigen Leben. Ihr Zweifel und Spott kommt nicht aus Anfechtung, da das Herz voll Kummer und Sehnsucht nach Wahrheit ist, sondern er ist eine Ausgeburt des Abfalls, und der sittlichen Verlorenheit und Verdorbenheit. Vor diesen Menschen hat man sich am meisten zu hüten. Es ist auch bei der heutigen Lection von der größten Bedeutung, ob man ein tausendjähriges Reich annimmt oder nicht, ob man die Spötter an die Wiederkunft Christi zum Sturze des Antichristus, oder ans Ende der tausend Jahre setzt, was ja eben so wohl Statt haben könnte, da nicht gesagt ist, daß neben dem Glanze der Kirche in jenen gesegneten Tagen kein Unglaube sich finden, kein Zweifel, kein Spott sich regen könne. Allein es ist für uns auch gar nicht nöthig, in die Lösung der schweren Frage einzugehen. Die Antwort wird sich entwickeln; uns ziemt vor allem, unserer Seelen warzunehmen und vor den schädlichen Spöttern uns zu hüten. Das Ende naht, das ist gewis, – Spötter mangeln nicht, werden auch nicht mangeln. Laßt uns vor Spöttern uns hüten, noch mehr aber vor dem Spotte selbst, er nahe als Zweifel, als Glaubenssatz, als Lästerung. Greift uns der Spott nicht an, kann er seine Angeln und Haken in unsre Seele nicht werfen; so ist der nächste Zweck der apostolischen Warnung erreicht, es gehe den Spöttern selbst, wie es sei. Die Zeit ist zu ernst; was auf dem Spiele steht, ist zu groß und wichtig; fort mit Zweifel und Spott, am Ende des Jahres: am Schluße der Gegenwart sei der heilige Entschluß gefaßt, ohne Wanken bei der Wahrheit zu bleiben, Spötter aber, die bei liederlichem Leben spotten, wie eine Pestilenz der Seelen zu fliehen. – Wenn ich mir vergegenwärtige, welcherlei Spötter diejenigen sind, mit welchen gerade ihr zu thun habt; so will ich nicht eben sagen, daß die Spötter unsrer Gegend an geistiger oder dämonischer Kraft denen gleich kommen werden, von denen St. Petrus schreibt: er hat vielleicht, ja höchst wahrscheinlich gefährlichere Menschen im Auge, als euch bisher begegneten. Doch aber sind eure Spötter Vorläufer der letzten Spötter, Schwalben vor dem höllischen Frühling der letzten Zeit, weil sie insgemein liederliche Spötter sind, die bei frechem Wort nach ihren Lüsten wandeln. Desto kenntlicher, desto leichter zu vermeiden sind sie aber, und desto größer ist Eure Verantwortung, wenn ihr ihnen und ihren heillosen Reden Ohr und Raum leihet und euch in ihre frevlen Hände überliefert.

 Gegenüber diesen Spöttern predigt der Apostel die Gewisheit des Endes und der Vergänglichkeit aller Dinge. Es währt lang, bis die Verheißung eintrifft; viel Zweifel regt sich, viel Spott wagt sich hervor, je länger der HErr verzieht; der HErr aber hat Seine weisen Absichten, zu warten von einer Zeit zur andern. Während viele zweifeln, manche spotten, verfolgt Er Sein heiliges Ziel unaufhaltsam sammelt Seine Kinder. „Die gegenwärtigen Himmel aber und die Erde sind gespart für’s Feuer, bewahrt und behalten für den Tag des Gerichts und Untergangs der gottlosen Menschen.“ So schreibt St. Petrus im Bewußtsein des Spottes seiner Zeit und in Voraussicht der zukünftigen Spötter. Er schreibt es im Einklang aller Apostel und Propheten. Er wiederholt die Prophezeiung aller Jahrtausende – und, ein Fels und Kephas, ein Pfeiler und eine Säule der Wahrheit, wie er ist, wie ihm nach die Kirche sein soll, ruht er im tiefen Frieden und großer Zuversicht der Offenbarung und des Glaubens gegenüber den Spöttern. Sein Satz bleibt stehen, sein Bekenntnis bleibt fest, wenn auch die Wogen der Spötter an ihn schlagen und das Meer braust. Er weiß göttlich gewis, und kann es auch nur göttlich wißen, daß die ganze Sichtbarkeit fürs Feuer gespart wird und daß über sie ein feuriges Gericht des Brandes und Verderbens kommen wird an demselben Tage, an welchem die gottlosen Menschen dem ewigen Gericht verfallen.

 Der Anblick der Welt ist der eines unveränderlichen, bei allem Wechsel stätigen, unvergänglichen, großen Reiches. Der Eindruck ist der der Unzerstörbarkeit, der ungeheuern Kraft und Stärke. Wie im Prediger Salomonis gesagt wird, es vergiengen und kämen die Geschlechter, aber die Erde bleibe ewiglich:

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/556&oldid=- (Version vom 1.8.2018)