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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

so könnte man mit einer gewissen Zuversicht von der ganzen Welt sagen, sie scheine ewig zu sein. Allein wir wißen, daß das Wort Ewigkeit in der heiligen Schrift auch in der Mehrzahl gebraucht wird, daß also die Einzahl auf die Grenzen einer Zeit, wenn auch einer langen Weltzeit deutet, daß die unbegrenzte Dauer der Ewigkeit durch die alle Weltzeiten zusammenfaßende Mehrzahl des Wortes Aeon oder Ewigkeit angezeigt wird, daß also auch der Prediger von keiner ewigen Dauer dieser Erde, oder dieser Welt reden kann, wie unsrer Seele sie beigelegt ist vom Anbeginn ihrer Zeit. Es wird der Erde und den Himmeln ein Tag kommen, wo es mit ihnen aus und zu Ende sein wird, – und es wird mit der bevorstehenden Feuerflut des Endes, welche sich an den Flammen Christi und Seines Auges entzünden wird, gehen wie mit der Sündfluth, an welche St. Petrus erinnert und von welcher er sagt, daß die Spötter sie vergäßen, muthwillig ihr Gedächtnis unterdrückten. Auch die Sündfluth war angezweifelt, obwohl gepredigt, lang geweißagt, unter merkwürdigen Umständen geweißagt. Alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt, niemand glaubte, die rettende Predigt Noäh war einsam und sehr verachtet und verspottet. Endlich aber, am bestimmten Tage, kam doch, was kommen sollte und die ganze Erde ward eingehüllt in das verderbende Element. Solch eine Hinweisung auf eine, sei es gleich unleugbare Thatsache, beweist nichts für die, welche keinen Beweis wollen, keine Offenbarung, keine Predigt achten, muthwillig alle Mahnung in Vergeßenheit begraben. Aber wenn denn endlich kommt, was kommen soll, dann ragen solche Beweise wie die letzten Gipfel aus den Waßern, damit sich zurecht finde und sich weisen laße, wer gerettet werden will.

 Brüder! die Geschichte der Welt geht ihren unaufhaltsamen Gang. Alles hängt zusammen. Wie ein Faden abgewickelt wird, so entwickelt sich die Reihe der Geschicke. Kein Mensch weiß, wo Gottes Fuß geht, obwohl viel darüber offenbart ist. Alles geschieht nach Seinem heimlichen Rath und Plan, obwohl auch nach dem Worte der Propheten und Apostel. Vor uns ist Gottes Weg verborgen, obwohl er beschrieben ist. Die Sündfluth, das Ereignis auf Golgatha, das Ende – wer kennt sie nicht, diese Höhenpunkte der Straße, auf welcher sich alles bis ans Ende bewegt? Und dennoch, was wißen wir? Gottes Wolkensäule, Gottes Feuersäule waren beide dem Volke Gottes gleich dunkel, und das geistliche Licht der Weißagung blendet unsre armen Augen, daß wir nicht sehen, eben wie wenn uns finstre Nacht umgäbe. Dazu umgibt, umschwirrt, umfaßt uns Welt und Teufel, und des letzteren Engel und Geister bieten alles auf, uns irre zu machen. Was sollen wir thun? wie wollen wir uns retten? Meine Antwort, meine Aufforderung ist heute, wo wir das Jahr schließen, wo meine Rede zu Ende geht, meine Zunge gerne stille wird, – meine Antwort, meine Aufforderung im Namen des HErrn ist, daß wir der Spötter Haufen meiden und am Worte hangen. Die Ereignisse verstehen wir nicht, die Geschichte ist uns nicht klar, die Wißendsten werden verlegen, die Weisesten bescheiden sich des Urtheils, die viel gelernt haben, werden schweigsam. Aber was St. Petrus und seine Mitapostel schreiben, das zeigt klaren Weg, und wo sie reden, da laßt uns beifallen. Ob sie vom Lebensweg der Seele, ob sie vom Ergehen des Universums reden, sie sollen unsre Meister sein, ihre Schriften seien unsre Wegweiser und Schriftmäßigkeit in allen Dingen sei unsers Lebens Loosung. Mit dieser Loosung leben, mit ihr sterben, mit ihr auferstehen und mit ihr zur Rechten JEsu durch die Lüfte gehen und mit Ihm zur neuen Erde wiederkehren, das sei unser Lauf und unser Loos. So ist uns das Loos aufs Liebliche gefallen, und Gottes Friede ewig mit uns! Amen.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/557&oldid=- (Version vom 1.8.2018)