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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

muß! Da muß eine Verleugnung Christi sein, wo man, ich will nicht sagen, auf eine kurze Zeit, sondern auf die Dauer, auf längere Zeit der Welt Freund sein, ihren Haß und das Kreuz vermeiden kann. Was Christus nicht konnte, sollst du auch nicht können, und wenn Er, das helle Licht Gottes, nicht ohne Schatten leuchten kann, so mußt du’s auch nicht können, oder du bist Sein Nachfolger nicht. Hoch befremdlich und großes Mistrauen erregend muß immer das Gegenteil sein, während ein flammender Haß der Welt und ihrer Kinder ein Zeichen sein kann, daß ein frommes Kind Gottes zugegen ist.

 Für befremdlich also darf ein Christ den Haß der Welt und die Hitze der Leiden nicht halten, das lehrt St. Petrus. Für was soll man sie dann aber halten? Antwort: „Für Versuchung und Prüfung.“ „Die Hitze widerfährt euch,“ sagt St. Petrus Vers 12, „daß ihr versucht werdet.“ Wer bei eintretenden Verfolgungen und Leiden um des Namens Christi willen zunächst auf die Verfolger sieht, und ihr Thun befremdlich findet, ist schon nicht wachsam, sieht schon mehr nach außen als nach innen, mehr auf andre als auf sich selbst, mehr auf Menschenhände als auf Gotteshände. Nicht ob die Menschen recht an dir handeln, wenn sie dich verfolgen, muß deine erste Frage sein, sondern wozu Gott die Verfolgung zuläßt, was Er damit für eine Absicht hat. Diese letztere Frage aber beantwortet hier St. Petrus: Verfolgung der Menschen ist für dich Prüfung, Versuchung. Das Christentum verschafft so viele und große innere Klarheit und eine solche Ruhe der Seelen, dazu auch eine solche Gewisheit und Sicherheit des ewigen Lebens, daß am Ende ein jeder leicht Christ sein und bleiben könnte, wenn der HErr auch seine Feinde in der Welt mit ihm zufrieden machte und ihm ein angenehmes Loos in der Zeit bereitete. So geht es nun aber nicht, sondern wer ein Christ sein will, der muß in die Hitze, in’s Feuer, in die Probe, in den Haß und die Verfolgung der Welt hinein. Da wird sich’s dann bald zeigen, was für eine Stufe der Mensch errungen hat, ob ihm sein Glaube und seine Liebe zu Christo theurer und angenehmer ist, als das irdische Guthaben, und ob er begriffen hat, was man den Leuten schon bei der Taufe predigt, nemlich, daß der Mensch ganz unvermeidlich in einen Kampf geht, wenn er Christ wird, und es mit dem Teufel und der Welt, seiner Braut, aufnehmen muß, wenn er Gottes und Seines Christus werden will. Da gilt es nun eben die Prüfung, und es fragt sich dann, ob Gold da ist. Ist Gold da, so wird es geläutert und herrlicher aus der Hitze hervorgehn; ist etwas anderes da, so wird es sich zeigen. Das ist also die zweite Lehre St. Petri, ein Christ muß die Verfolgung als Prüfung ansehen.

 Es gibt aber allerdings noch eine höhere Ansicht von der Verfolgung. Nicht blos in unsrer Textesstelle Vers 13 heißt es wörtlich: „ihr nehmet Teil an den Leiden Christi“, sondern auch an andern Orten der heiligen Schrift werden die Leiden, welche die Christen um Christi willen in der Welt zu dulden haben, wie ein Ueberrest der Leiden JEsu dargestellt. So fragt Er ja selbst die beiden Zebedäiden, ob sie von Seinem Leidenskelche trinken könnten, und St. Paulus bedient sich Col. 1, 24. einmal des verwunderlichen Ausdrucks, daß er mit seinem Leiden „an seinem Fleische erstatte, was noch mangele an Trübsalen Christi für seinen Leib, welcher ist die Gemeine.“ Es wird damit allerdings nicht gesagt, daß die Zebedäiden von dem Kelche Christi in derselben Absicht trinken sollten, wie der HErr, oder daß St. Paulus das Verdienst JEsu Christi vollständig machen solle und könne. Zweck und Absicht der Leiden ist verschieden, aber leiden muß in dieser Welt alles, was zu Christo gehört, das Haupt und ebenso die Glieder, die ersten wie die letzten. Und so gewis als die Welt ist und bleibt, was sie je und je gewesen, nemlich die entschiedenste Feindin Gottes, und Seines Christus und Seiner Kirche, so gewis müßen die Glieder Christi untereinander und mit Ihm selber in einer Gemeinschaft der Leiden stehen, da gibt es keine Ausnahme. Es steht wol geschrieben, wenn jemandes Wege dem HErrn wolgefallen, so mache er auch seine Feinde mit ihm zufrieden; aber damit soll nicht gesagt sein, daß der Teufel und seine Welt irgend einmal mit Christo und Seinen Gliedern zufrieden werden, und der Gegensatz und Kampf aufhören könne, der zwischen ihnen ist; so wenig das Haupt ausgenommen ist, so wenig die Glieder. Deine persönlichen Feinde können wol einmal durch dein Wolverhalten überwunden werden, daß sie nicht mehr deine Feinde seien, aber dein Wolverhalten

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 075. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)