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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

„in den Leiden Gott zu preisen,“ leisten. Geht hin und erfahret und sehet, ob ich irre, und holt die weitere Deutung dieses ersten Wortes Petri vom Verhalten des Menschen in Christi Leiden sammt Mut und Nachfolge aus der Geschichte der Kirche und ihrer Helden.

 Die zweite und letzte Mahnung St. Petri zum rechten Verhalten findet ihr im 19. Vers des Textes: „Welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen Ihm ihre Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken.“ Ein großes Wort, in welchem der ganze Ernst des heiligen Martyriums ausgesprochen liegt. Man soll dem treuen Schöpfer die Seelen befehlen, diese Worte sehen nicht so aus, als hätte der Apostel nur Schmähungen und andre kleine Leiden im Sinne gehabt, da er hinschrieb: „die da leiden nach Gottes Willen.“ Wenn man dem HErrn die Seele befiehlt oder befehlen soll, da spürt man nicht blos die Seele in Gefahr, da wittert man Todesnähe, da verzeiht man sich des Lebens, da müßen also die Leiden groß und schwer sein, und es muß also in den Tagen, in welchen St. Petrus diesen Brief geschrieben, bereits oft genug Noth an den Mann gegangen sein und der Haß der Heiden schon oft genug Blut vergoßen haben. Da war’s also bereits allenthalben wie dort vor Jerusalem am Tage Stephani. Der that, was hier steht, er befahl die Seele in Gottes Hand; er that, wie JEsus Christus am Kreuze selbst gethan hat. Gott preisend soll man ins Todesthal steigen um JEsu willen und die Seele Gotte übergeben. Und zwar setzt St. Petrus nach der unnachahmlichen Schönheit seiner Sprache dazu: man solle die Seele Gott übergeben als dem treuen Schöpfer. Hast du je ein schöneres Beiwort bei dem Hauptwort Schöpfer stehen sehen, als das Beiwort „treu“? Wir sprechen gewöhnlich: Ich glaube an Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden; da lehrt nun aber St. Petrus die Leidenden, die Sterbenden um JEsu willen sprechen: „Ich glaube an Gott Vater, den treuen Schöpfer meiner Seelen.“ Wahrlich inniger und süßer kann in die Seele deßen, der nun sein Leben zu verlieren scheint, nichts klingen, als die Erinnerung an den treuen Schöpfer, der die Seele in den Leib gegeben hat, der sie nun wieder nimmt, der sie gewis nicht verderbt, noch verderben läßt, dem man sie ohne Wanken vertrauen darf; Sein ist sie, Sein sei sie, Sein bleibe sie, bis Er sie mit dem neuen Leibe zusammenfüget zu einem göttlichen, unsterblichen Leben. Wahrlich, das ist die schönste Beschreibung des Benehmens leidender und sterbender Märtyrer: Gottes Preis im Munde und in der ausgereckten sterbenden Hand als Opfer die edle Seele, die Dem nun wieder gegeben wird, der sie geschaffen hat! Da braucht man auch gar nicht zu fragen, was denn wol gemeint sei, wenn St. Petrus spricht, man solle dem treuen Schöpfer die Seele in guten Werken empfehlen. Es ist eigentlich auch im Grundtext keine Rede von Werken. Es steht im Griechischen ein wunderschönes Wort, für das es im Deutschen kein einzelnes entsprechendes Wort gibt. Etwa könnte man es nahe am Wortlaut übersetzen: „Vollbringen des Guten oder gutes Vollbringen.“ Das Wolverhalten des Leidenden, die Lobpreisung Gottes selbst, die Ueberlieferung der Seele in Gottes treue Hände, nichts anderes scheint gemeint zu sein. Leiden, Gott loben und Ihm die Seele befehlen, das ist genug, genug Wolverhalten, genug Vollbringen des Guten im Tode.

 Meine lieben Brüder, ich bin zu Ende. Was das Leiden der Christen sei, wie es anzusehen und zu tragen, das habt ihr nun vernommen. Erinnert euch nun noch einmal an die leidende Familie auf dem Weg nach Egypten, an JEsus, Maria und Joseph. Erinnert euch auch an das Geschrei auf den Höhen und in den Thalen zu Bethlehem, das so gar anders klingt, als die Engelchöre, von denen wir in diesen Tagen hörten. Vergeßt aber auch nicht, daß die heilige Familie und die kleinen Genoßen JEsu und alle Märtyrer und die ganze Kirche auf Erden der Welt ein Fels der Aergernis und ein Zeichen ist, dem widersprochen wird, und eine Heerde, die durchs Jammertal gehen und leiden muß. Auch ihr seid Glieder Christi. Schaut euch nach euren Leiden um, nach eurem Anteil an der Gemeinschaft seiner Leiden. Wir stumpfen Seelen haben oft Leiden und wißens nicht, und unsre Füße gehen oft in Dornen, wir zagen und zucken nackten und verstehen es nicht, daß das der Kreuzweg ist, auf dem wir gehen, „Christo nach, durch die Schmach, durchs Gedräng von auß’ und innen, das Geraume zu gewinnen, dessen Pfort er selber brach.“ Merkt ihr aber ja in der Gegenwart keine Leiden JEsu, so wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 080. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)