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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

eines irdischen Kirchenregimentes bedürfen, die innerliche Feier der Andacht, die beßer ist, als jede äußere, und benützen die schöne Gelegenheit, die wir heute haben, bei diesem Gottesdienste mit einander eine Betrachtung über den verlesenen Festtext anzustellen. Es sei nun Fest unter uns! Die Herzen in die Höhe! Den Mangel vergeßend, den unsre Feier hat, wenden wir unsre Blicke nun ganz zu dem Texte. Der HErr aber laße uns nicht ohne Almosen Seines Geistes von hinnen gehen.

 Das heutige Evangelium erzählt die Geschichte von dem Besuch der Weisen aus Morgenland. Die Geschichte ist euch bekannt und ich habe mir nicht vorgenommen, über sie zu predigen. Aber allerdings trägt sie ein ganz eignes Gepräge; und wie man erstaunt über die Heerschaaren der Engel, die aus der Höhe kommen und sich in der Nähe der stillen verborgenen Krippe sammeln, in welcher Christus liegt; so erstaunt man über den Zug der Magier, welcher unter Anführung des Sternes von Jerusalem her nach Bethlehem kommt. Die Heimat weiß nichts von einem neugebornen König, aber die Himmel versammeln sich über seiner Geburtsstätte und erheben ihr unsterbliches Lied, – und ferne Heiden, weise Männer, Sternkundige, mit irdischen Gütern gesegnete, ziehen heran, um Dem Anbetung zu geben, für welchen sein Vaterland und seine Vaterstadt in der Nacht seiner Ankunft nur einen Stall zur Herberge, und zur Zeit, da die Weisen kamen, nur ein Haus hatte, das die Weisen nicht als Seinen Aufenthalt errathen hätten, wenn nicht der Stern darüber stehen geblieben wäre. Da zeigt sich an den beiden Beispielen der Engel und der Hirten ein Vorspiel größerer Zeiten und hoher Ewigkeiten, in welchen der Name des HErrn JEsus zu allgemeinen gerechten Ehren kommt. In die Zeit Seiner Kindheit aber fallen die beiden großen Begebenheiten wie helle Strahlen in stilles Dunkel. Wie die aufgehende Sonne zuweilen, noch ehe sie erscheint, einen flammenden Strahl über die Berge hervorschießt, so müßen Engel und Heiden die zukünftige Glorie des großen Königs ansagen, während Er selbst noch wie ein stilles Samenkorn in der Verborgenheit seiner göttlichen Jugend wohnt.

 Man hat den Epiphaniastag in der neuern Zeit um des Besuchs willen, welchen die Magier bei dem neugebornen Christus machen, zum allgemeinen Missionsfest vorgeschlagen, und wenn man auch damit nicht völlig übereinzustimmen Gründe haben, wenn man vielleicht einen Tag in der Nähe des Himmelfahrts- oder Pfingstfestes zu einem Missionsfeste für passender finden könnte; so könnte man sich doch am Ende auch darein finden, den Epiphanientag als Missionsfest gelten zu laßen und zu feiern. Man darf ja nur weniger auf die Weisen sehen, die da kommen, als auf den Stern, der wie ein großer Evangelist und Missionar zu ihnen in ihr Land gegangen und sie zu Christo berufen hatte. Man darf nur weniger auf den Besuch der Weisen sehen, als auf die Offenbarung, die ihnen geschieht; man darf nur daran denken, daß der Tag Theophanie oder Epiphanie, d. i. Gottesoffenbarung, Gotteserscheinung heißt, man darf die Erscheinung nur als Erscheinung für die Heiden, für die Weisen deuten, wie man es vielfach, wenn auch nicht mit vollem Rechte, thut: – so hat man Anhalt genug, um den Tag zum allgemeinen Missionsfest zu machen. Doch wird man immerhin mit Recht auch auf den Unterschied hinweisen dürfen, welcher zwischen der Heidenmission und dieser Begebenheit ist. Es ist da ähnlich, wie wenn jemand in dem Gang der Hirten von den Feldern, wo die Engel predigten, zur Krippe hin die Judenmission vorgebildet fände. Der Stern und die Engel sind eben doch keine Missionare, wie sie nach Pfingsten ausgegangen sind und erst nach Pfingsten ausgehen konnten. Sie sind Boten aus jener Welt, deren Geschäft und Auftrag einzig in seiner Art ist. Auch setzt die Mission den vollendeten Lebenslauf Christi und das vollbrachte Werk der Erlösung voraus, während sich bei der Geschichte der Hirten und Weisen alles darum handelt, daß die Person des göttlichen Erlösers vor unverwerflichen Zeugen auf eine recht auffallende und unverkennbare Weise documentirt und nachgewiesen werde. Endlich kommen hier nicht die Missionare oder Christen zu den Heiden, sondern sie kommen zu Ihm mit einer Erkenntnis und einem Lichte, mit Opfer und Gaben und mit einer Anbetung, die, so unwidersprechlich sie da ist, doch auf der andern Seite etwas ganz Außerordentliches und fast das Gepräge patriarchalischen oder prophetischen Lichtes und Lebens hat.

 Nimmt man nun völlig die prophetische Lection des heutigen Tages hinzu, welche euch anstatt der Epistel verlesen wurde, so wird man zwar unzweifelig

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 082. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)