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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

wir bitten Ihn, daß Er sie für Seine heiligen Zwecke annehmen möge und treulich brauchen laße. Welch ein schöner Tag! Da stehen die Diener Gottes und die Kirchenvorsteher der Gemeinde, um die Handlanger eurer Barmherzigkeit zu sein. Da bringen sie eure Gaben dankend, lobend und preisend Dem in euerm Namen dar, der keinen Becher kalten Waßers unbelohnt laßen zu wollen erklärt hat. Er braucht uns ja freilich nicht, Sein ist ja Silber und Gold, Korn und Waizen und Erdäpfel und alles, was ihr bringet. Von wem habt ihrs denn, wenn nicht von Demjenigen, dem ihrs gebt. Aber eine solche Freude hat Er an der Barmherzigkeit und Liebe, daß Er die Armen und Elenden auf Erden und die da Mangel leiden zu Seinen Stellvertretern ernannt hat. Da wird Er selber zum Armen, zum Bettler, zum Nackten, zum Kranken, ja endlich gar zum Juden und Heiden und wartet mit persönlicher Begier und heißem Verlangen auf unsre milden Hände, auf unsre immerdar arme Gabe und freut sich mit Seinen heiligen Engeln, wenn wir in Einfalt der Seelen Ihm zu Lob und Preis unser Bächlein der Barmherzigkeit rinnen laßen.

 Wolan denn, so kommet zu Ihm und erfreuet Seine Seele mit euren Beweisen, daß ihr am Irdischen nicht klebet, sondern eure Güter in den Dienst der Barmherzigkeit gegeben habet. Ich finde unsre Epiphanias-Sitte, hinter den Weisen aus Morgenland herzugehen und Gaben zu opfern, so schön, daß ich überzeugt bin, Christus ist in unsrer Mitte und freut sich der Sitte selber. Daß nur unter uns kein Heuchler, kein Ananias, keine Sapphira sei! Es sei doch ja alles einfältig, kindlich, und keine andre Absicht beherrsche uns, als wie wir Seinen Willen thun und Ihm wolgefallen. Unter der seligen Uebung vergehe uns der Morgen, entschwinde uns der Tag. Viel lieber möchte ich sagen: entschwinde uns das Leben. All unsre Zeit und Kraft und Habe, HErr JEsu, sei ein Glas Narde, wenn nicht über Dein Haupt, so doch über Deine Füße, das ist, über Deine Armen und Geringen gegoßen.

 Wenn unsre Zeit aus ist und zu Ende unser Leben, ach, wie wäre uns so wol geschehen, wenn wir dann sagen könnten: HErr JEsu, Du König der ewigen Herrlichkeit, auf deßen Reich wir warten, wir haben nichts gewollt, als Dir dienen, wir hatten keine Lust, als Dir zu opfern; Dir wollten wir leben, Dir wollen wir nun auch sterben, Dir wollen wir selbst ein ewiges Opfer sein, o JEsu! Amen.




Am ersten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.

Römer 12, 1–6.
1. Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wolgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2. Und stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Verneuerung eures Sinnes, auf daß ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wolgefällige und der vollkommene Gotteswille. 3. Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedermann unter euch, daß niemand weiter von sich halte, denn sich’s gebühret zu halten; sondern daß er von ihm mäßiglich halte, ein jeglicher, nachdem Gott ausgeteilet hat das Maß des Glaubens. 4. Denn gleicher Weise, als wir in Einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäfte haben; 5. Also sind wir viele Ein Leib in Christo, aber unter einander ist einer des andern Glied, 6. Und haben mancherlei Gaben, nach der Gnade, die uns gegeben ist.

 DIe Evangelien der Epiphaniassonntage führen uns in der Betrachtung des Lebens JEsu Christi, des Sohnes Gottes und Marien, von Seiner ersten Reise, die er als zwölfjähriger Knabe nach Jerusalem machte,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 087. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/94&oldid=- (Version vom 1.8.2018)