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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

sie ist alle Morgen neu und Deine Treue ist groß“. Ja, das ist Trost, und so trüb ich rückwärts sehe, vorwärts ists doch hell: JEsus lebt und Sein Herz ist voll Liebe zu uns allen. Er helfe uns doch und sei uns gnädig, daß wir uns bekehren! Ja, ja, da sind wir auf dem rechten Wege, bei den rechten Gedanken: beten wollen wir, so viel unser beten können; wenn wir mit dem HErrn reden, dann werden wir am Bußtag fröhlich. −


 Schaam ergreift uns, wenn wir Dein gedenken, HErr JEsu. Ja doch, ja, wir gedenken Dein und wir schämen uns vor Dir, o HErr, denn Du wardst versucht, wie wir, und siegtest, wir aber werden versucht und siegen nicht!

 Bewunderung erfüllt uns, denn Du hast gesiegt, wie kein Sieger es jemals vermochte, oder vermag. Du bist der Heilige in Israel, und es ist unbegreiflich, wie Du so mild und geduldig auf uns warten kannst, die wir so gerne das Gegentheil von Dir sind.

 Bewunderung nicht allein, Liebe sollte uns durchdringen, denn Du hast uns erst geliebt und wie geliebt! Wir sind so elend und so böse, und Du dachtest an uns, stiegest herab in unsre Versuchungen, siegtest uns zum Troste, auf daß wir Vergebung fänden, wenn dermaleins unsre Herzen des Versuchtwerdens und Fallens müde nach Vergebung schreien würden! Ach, wie bist Du die Liebe selber gewesen, HErr JEsu! Wird denn Deine Liebe unser Herz nicht auch mit Lieb entzünden?

 Liebe sollte uns entzünden, Anbetung sollte uns vor Dir in den Staub beugen; denn so liebt, so geduldet sich, so harret und wartet, so heilt nur der HErr, unser Gott! Es ist keines bloßen Menschen Liebe, die sich so erwiesen hat und noch erweiset!

 HErr! Schaam, Bewunderung, Liebe, Anbetung wirkest Du allein; wirke sie in uns und in allen, die zu dieser Gemeine gehören. Gedenke unser! Gib uns Buße und Vergebung der Sünden, denn Du mußt alles thun, nichts ist es mit all unserm Thun und Leben und Büßen. Hilf uns und dann sei Dein unser ewiger Dank! Amen.


HErr JEsu! Amen.




Am Sonntage Reminiscere.

Evang. Matth. 15, 21–28.
21. Und JEsus gieng aus von dannen und entwich in die Gegend Tyrus und Sidon. 22. Und siehe, ein cananäisch Weib gieng aus derselbigen Gränze und schrie Ihm nach und sprach: Ach HErr, Du Sohn Davids, erbarm Dich mein, meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt. 23. Und Er antwortete ihr kein Wort. Da traten zu Ihm Seine Jünger, baten Ihn und sprachen: Laß sie doch von Dir, denn sie schreiet uns nach. 24. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schafen aus dem Hause Israel. 25. Sie kam aber und fiel vor Ihm nieder und sprach: HErr, hilf mir! 26. Aber Er antwortete und sprach: Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. 27. Sie sprach: Ja, HErr; aber doch eßen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herren Tische fallen. 28. Da antwortete JEsus und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter ward gesund zu derselbigen Stunde.

 WAs hat das cananäische Weiblein von Natur, vom Satan, vom Heilgen Geiste, von Christo empfangen? Das sind die Fragen, in deren Beantwortung ich euch den Inhalt des Evangeliums vorlegen will. − Zuerst betrachten wir, was sie von Natur hat. Wir sehen sie also im pur natürlichen Zustande, wo noch keine Versöhnung ihr kund geworden ist. In diesem Zustande aber ist der Mensch des Teufels

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/142&oldid=- (Version vom 28.8.2016)