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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

annehmen und glauben, daß er des Geistes Wort ist und seine Kraft in sich hat: bei denen wirds österlicher, hoffnungsreicher Friede, denen wird gegeben, zu erfahren, daß der HErr, was Er am Abend des Ostertages gesagt hat, auch uns fernen Christen am Ende der Tage gesagt hat, daß Er von Mund zu Mund bis auf uns herunter Seinen Osterfrieden sprechen und verbreiten wollte.

 Wenn in der alten Zeit heilige Bischöfe mit den übrigen Aeltesten an den Altären standen, um mit diesen und den Gemeinden das heilige Mahl zu feiern; da kehrten sie sich zu dem ihnen zunächst stehenden Aeltesten und gaben ihm den Friedensgruß und Friedenskuss; dann gieng beides Gruß und Kuss von einem Aeltesten zum andern und von diesem auf die Glieder der Gemeinde. Der Friede war das Erbe aller, die zu Christo kamen, und wer den Friedensgruß empfieng, war berechtigt zu allem und empfieng alles. In dem Bilde einer solchen Abendmahlsgemeinde sehen wir Christum und Seine Kirche. Er an der Spitze der Kirche aller Zeiten − Sein Gruß an die Jünger und von diesen an alle Gläubigen aller Zeiten. Christus, der Erzhirt, speiset durch Sein Amt Seine Kirche mit Frieden. Er sendet auch euch Seinen Gruß; nehmet ihn − grüßet mit ihm wieder − grüßet euch also, bis Er kommt − machet euch des Grußes würdig − und wenn Er wieder kommt, der große König des österlichen Friedens, dann grüße Ihn Selbst die heilige Gemeinde mit ihren Aeltesten und spreche Ihm das „Friede sei mit Dir“ in dem Sinn, in welchem es Ihm gesprochen werden kann.


 Zwar weiß ich wohl, daß manche unter euch diese meine Worte ungern vernehmen und fälschlich deuten werden; aber meine Worte sind auch ihnen zum Frieden gemeint, nicht zur Knechtschaft und Untertretung. Wir sind alle zur Auferstehung der Gerechten berufen, aber der Weg heißt Friede, der Friede kommt im Worte, das Wort kommt durch das heilige Amt der Aeltesten. Wer eines will, muß auch das andere wollen. Wer eins verachtet, verachtet Den, der alles und eines gegeben hat, und wird keiner Seiner österlichen Gaben theilhaftig. Gepriesen sei der HErr, der am Ostertage Seinen Jüngern die ordentlichen Gnaden und Geistesgaben Seines Amtes verliehen und sie zu guten Seelsorgern und Beichtvätern der Welt ausgerüstet und geweiht hat. Gepriesen sei Er, der hernachmal an Pfingsten ihnen außerordentliche Gnaden und Gaben schenkte, damit sie durch dieselben den ordentlichen Gaben Bahn machten! Gelobet sei Er dafür, daß uns, nachdem der Strom der außerordentlichen Gaben und Pfingstkräfte abgenommen hat und klein geworden ist, doch der volle Strom der ordentlichen Amtsgnaden und Gaben, welcher am Abend des Ostertages durch Seinen Hauch und Sein Wort entsprungen, übrig geblieben ist, daß Friede und Absolution noch Macht und Kraft des ewigen Lebens bei sich tragen und Sein heiliges Amt, die theure Ostergabe, annoch blüht und die Verheißung eines immerwährenden Blühens und Früchtetragens bis ans Ende hat! −

 Ich Aeltester dieser Gemeinde grüße euch hiemit, am Schluß des Osterfestes mit dem österlichen Gruße des Friedens! „Der Friede sei mit euch!“ Möge mein Friede von euer keinem zu mir zurückkehren und dennoch ewig bei mir bleiben! Amen.




Am Sonntage Misericordias Domini.

Evang. Joh. 10, 12–16.
12. Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte läßt sein Leben für die Schafe. Ein Miethling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe und fleucht; und der Wolf erhascht und zerstreut die Schafe. 13. Der Miethling aber fleucht, denn er ist ein Miethling und achtet der Schafe nicht. 14. Ich bin ein guter Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/206&oldid=- (Version vom 4.9.2016)