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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Und ob wir strauchelten, HErr JEsu, heiligster, treuester unter allen unsern Betgenoßen, so hilf uns Du! Im bösen Stündlein bete Du für uns. Je leiser wir werden, desto lauter rufe Du, − und wenn wir etwa − HErr, es geschehe uns nicht, aber wenn es uns geschieht, wenn wir etwa gar verstummen, dann zeige, daß Du ein allmächtiger Beter bist, dann erhöre, was wir jetzt beten, dann wecke uns auf, gib uns unsrer Seelen Athem und unsers Gebetes Stimme wieder und laß uns beten mit Dir und in Deinem Namen, bis all unser zeitliches Beten zu ewigem Lob und Danklied werde! Erhöre uns, o Du großer Hoherpriester! Amen.




Am Himmelfahrtstage.

Evang. Marc. 16, 14–20.
14. Zuletzt, da die Eilfe zu Tische saßen offenbarte Er Sich und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubet hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden. 15 Und sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Creatur. 16. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. 17. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, 18. Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödtliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es beßer mit ihnen werden. 19. Und der HErr, nachdem Er mit ihnen geredet hatte, ward Er aufgehaben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes. 20. Sie aber giengen aus und predigten an allen Orten; und der HErr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.

 WIederum verlaße Ich die Welt und gehe zum Vater,“ so sprach der HErr vor Seinem Leiden weißagend von Seinem Hingang, und hier wird uns nun die Erfüllung der Weißagung gezeigt, hier sehen wir JEsu Hingang. Und zwar erscheint uns Sein Hingang als Ausgang und als Eingang. Wir sehen Seinen Ausgang, Seinen Abschied von der Welt, aber auch Seinen Eingang in den Himmel. Wir sehen aber nicht bloß JEsu Aus- und Eingang, sondern zugleich die neue Zeit, welche als eine Folge Seiner himmlischen Verklärung anerkannt werden muß. Wie nun das alles im Evangelium aufeinander folgt, so wollen auch wir es vorbringen und miteinander betrachten.

 Das Evangelium gibt uns einen kurzen Ueberblick über die Geschichte der vierzig Tage, welche sich mit dem heutigen schließen. Alle hauptsächlichen Dinge, welche der HErr in jenen Tagen gesagt und gethan hat, faßt es zusammen. Wir lesen nach einander von des HErrn letztem Schelten, Seinem letzten Befehl, Seiner letzten Verheißung und Drohung, Seinem Ausgang aus der Zeit und Seinem Eingang.

 Des HErrn letztes Schelten, was betraf es? Den Unglauben der Jünger und ihre Herzenshärtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden. Wer hatte Ihn nun gesehen? Die Frauen hatten Ihn gesehen; ihnen hatten die Jünger nicht geglaubt, Weibern hatten sie nicht geglaubt. Der Weiber Reden beruhte zwar auf Augenzeugnis; aber es kam doch immerhin von Frauen, deren Geschlecht man Betrüglichkeit und Einbildung mehr als dem männlichen Geschlechte zutraut. Dazu waren diese Frauen nicht wie hernachmals die Zeugen JEsu, die Apostel, durch Gottes Geist vor Irrtum bewahrt, sie hatten bei Auffaßung und Verbreitung der von ihnen gesehenen Dinge sich keiner unmittelbaren An- und Handleitung von oben zu getrösten.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/232&oldid=- (Version vom 4.9.2016)