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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

und die Freude selbst erstürbe. Es soll also am Leid die Freude erwachen, und die Freude trotz des Leides blühen und grünen. Das versteht die Welt nicht, aber die Kirche Gottes versteht und hat es; sie vermag das Widersprechende zu tragen. − Es wird indes die Freude doch endlich auch ohne Leid bestehen, denn wenn das Leid aufhören wird, so wird die große Hoffnung eintreten, und die Christen werden zur Zeit der Offenbarung Christi ewige Freude und Wonne haben. Diese Hoffnung macht es, daß man im Leid Freude haben kann, denn man freut sich des Leidens auf Erden, weil es durch Gottes Gnade ein Anrecht auf die ewige Wonne gibt.

 Doch würde der Blick auf die zukünftige Herrlichkeit allein oftmals nicht hinreichen, die Jünger zu einem fröhlichen und geduldigen Leiden zu ermuthigen. Die Schwachheit und die Reizung der Leiden sind beide manchmal zu groß. Es muß drum schon in der Gegenwart und während der Leiden eine Macht der Freuden geben, und die ist es, von welcher v. 14. spricht. Wir gedenken heute auch der Taufe Christi. Da kam über den HErrn der heilige Geist, blieb und ruhte auf Ihm. Wie schön erinnert nun unsere Epistel daran, daß auch wir Christo gleich sein sollen durch unsre Taufe. „Der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch. Bei ihnen ist Er verlästert, bei euch ist Er gepreiset.“ So ruft uns der heilige Petrus zu. Wenn wir diesen herrlichen Gottesgeist in uns haben und Er in uns Sabbath und Ruhe hält, dann wird uns kein Leiden aus der Ruhe bringen; mit dem Geiste Selbst und mit dem Namen JEsu werden wir gelästert − und haben darin eine Verheißung ewiger Gottesruhe und himmlischer Freuden, eine Verheißung, die wir in des Geistes Ruhe seliglich faßen können.

 Der Apostel rückt übrigens auch die verheißene Freude der Ewigkeit näher. Er bezeichnet die Leiden, welche den Christen beschieden sind, als einen Anfang der Gerichte Gottes. „Es ist Zeit, sagt er, daß anfahe das Gericht an dem Hause Gottes.“ Zuerst werden die Kinder gerichtet, dann die Feinde. Werden die Kinder streng gerichtet, wie streng werden die Gerichte über die Feinde, über die Gottlosen sein. „Wird der Gerechte kaum erhalten, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?“ Es kommt also nur darauf an, daß wir gerecht seien, daß wir nicht als Mörder, Diebe, Uebelthäter, Eindringlinge in fremdes Amt leiden, daß wir um Christi willen leiden, dann können wir alles, was uns Menschen anthun, als von Gott kommend, als Gottes ernstes Gericht erkennen, in dem wir zwar kaum d. i. mit Mühe, aber doch gewis erhalten werden. Da werden wir stille; über ein Kleines ist alles vorüber, Gott spart uns mitten im Ueberfluß der Leiden zum ewigen Leben. Wir wißen, daß die Leiden von Ihm kommen und unsre Treue versuchen, daß wir nach Seinem Willen leiden, daß wir gewis überwinden, denn Sein Geist ruht in uns. Da thun wir denn, was so schön zuletzt gesagt ist; fleißig in guten Werken befehlen wir im Gerichte unserer Leiden unsre Seelen Ihm, dem treuen Schöpfer, der uns nicht zum Verderben geschaffen hat, sondern um uns ewig zu erhalten.

 Es ist ein armes Nachdenken zur Epistel, das ich euch vorgelegt habe. Aber wenn es in der Stille und in heiliger Achtsamkeit aufgenommen wird, wer weiß, wird doch auch dadurch der Geruch des himmlischen Lebens, der aus diesem Texte kommt, eine Seele erquicken. Das gebe Gott durch JEsum Christum! Amen.


Am Erscheinungsfeste.
Jesaias 60, 1–6.

 EHe unser HErr erschien, war der Zustand der Völker ein trauriger und jammervoller. „Finsternis bedeckte das Erdreich und Dunkel die Völker“, Finsternis und Dunkel in Anbetracht der Erkenntnis, wie in Anbetracht lichten, heiligen Lebens. Auch das Volk Israel war größtentheils in denselben betrübten Zustand der Heiden hingesunken. Kein Prophet redete mehr und das Wort der geschriebenen Prophezei brannte nur wie eine dunkle Lampe in großer Finsternis. Da, als man es am wenigsten erwartete, kam die Erfüllung aller Verheißungen, und die Stimme des Propheten wurde wahr: „Ueber dir, o Zion, geht auf der HErr, und Seine Herrlichkeit erscheint über dir“. Der HErr, der Aufgang aus der Höhe, unser Heiland

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/268&oldid=- (Version vom 14.8.2016)