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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

 5. Die Himmelfahrt ist mit dem Befehle verbunden, allen Völkern das Evangelium zu predigen, und zu dieser Predigt wird den Aposteln der Geist des HErrn verheißen. Also sollen zwar alle Menschen am Reiche Theil haben, aber es soll niemand durch eigene Bereitung zu demselben gefördert werden, sondern durch Gottes dargereichte Gnadenmittel, durch Sein hörbar Wort, durch das sichtbare Wort des Sacraments, durch das heilige Amt, und durch Den Selbst, der in allen Gnadenmitteln wirkt, durch den heiligen Geist. Es ist also und bleibt unsre Erhebung zu dem ewigen Reiche eine pur lautere Gnadengabe unsers Gottes.

 6. Als der HErr den Augen Seiner Jünger entnommen war, kamen Engel und predigten von Seiner sichtbaren Wiederkunft. Damit deuteten sie auf die Zeit hin, wo das Reich hereinbrechen würde vom Himmel in die sichtbare Welt. Damit gaben sie zwar keine Zeit und Stunde an für das Reich des HErrn, aber so gewisse und genaue Merkmale und Umstände für die Offenbarung Seines Reiches, daß eben damit der Glaube an alles das, was die Himmelfahrt des HErrn ist und verheißt, mächtig gestärkt wird. Es ist uns nun für unsere eigene Himmelfahrt, für unsers Leibes Theilnahme eine deutliche Frist gegeben. Wir hoffen und warten auf die Wiederkunft des HErrn − und die Himmelfahrt des HErrn und der Engel Verheißung ist für unsere Seelen ein Pfand unserer Hoffnung für des Leibes ewige Herrlichkeit.

 Das laßt uns überlegen und fröhlich warten − und beten laßt uns: „Komm bald, HErr JEsu!“


Am Sonntage Exaudi.
1. Petri 4, 8–11

 ES ist alles zu Deiner Ehre geschaffen, mein Gott, und darum ist alle Creatur schuldig, Dir Ehre und Preis zu geben, und wer Dir das nicht gibt, ist ein Dornstrauch, der keine Frucht trägt Dem, der ihn schuf und mit Sonnenschein und Regen begnadigt hat. Alle Creaturen sind Dir zu Ehren geschaffen − und all ihr Leben und Wesen soll diesen Beruf der Lobpreisung Gottes vollenden. Was an und in mir ist, lobe den HErrn meinen Gott! Meine Seele lobe den HErrn, der sie erlöset und ihr ewiges Leben erworben und schon hier zugetheilt hat: denn ich bin selig in Dir, o HErr! Mein Leib preise den HErrn, der ihn legen wird in des Todes Staub und aus dem Staube in unverweslicher Herrlichkeit hervorführen am ersehnten Tage der Erlösung unsers Leibes. Alle meine Glieder sollen zu Gottes Preise dienen; vor allem soll meine Zunge lobsagen Gott dem HErrn − und daß es recht geschehe, sollen eitel Worte Gottes und aus Gottes Wort geborene Worte von meinen Lippen kommen. Ja, was ich rede, das will ich reden als Gottes Wort! Und alles, was ich habe, das diene Deiner Ehre: ich habe nichts, als eitel Gaben Gottes; die bringe ich Dir wieder und Du sollst mich leiten und lenken, daß ich alle nach Deinem Sinn und Willen, also zu Deiner Ehre anwende. Daß alles von Dir kommt, ist nur halbe Ehre Gottes, es muß auch alles wieder auf von Dir gebahnten Wegen zu Dir kommen, wie die Strahlen von der Sonne ausgehen und wieder zu ihr heimgehen. Ich bin es nicht werth, daß Du mir Gaben gibst, alle Deine Gaben sind nur mancherlei Gnaden Deiner Hand − und zum Haushalter und Verwalter Deiner Gnaden hast Du mich in dieser Welt bestellt. Gib mir, o HErr, Willen, Weisheit und Kraft, mit dem Deinen zu thun, was Dir gefällt, laß mich in allem meinem Thun immerdar opfern. Wenn ich den Brüdern mit den mir vertrauten Gaben diene, bin ich ein Priester Gottes; denn das ist Deine Ehre, wenn ich meine Brüder liebe. Wenn ich Deinen Heiligen die Füße wasche und Deine Pilgrime ohne Murmeln aufnehme, das ist schöner und lieblicher, als wenn ich Opfer schmücke, und der Kelch der Gastfreundschaft, wenn ich ihn bekränze, ist lieblicher vor Dir, als Trankopfer. Wenn ich die Mängel der Deinigen mit Liebe decke um Deinetwillen und dem sündigen Bruder seine Sünden dadurch offenbare, daß ich sie vor den Leuten verhülle, das ist ein Preis des großen Opfers, durch welches unsre Missethat vor Dir bedeckt ist. Und wenn ich aller Begierden müßig gehe und mäßig und nüchtern lebe und meine Lust im Gebete finde, das

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/295&oldid=- (Version vom 14.8.2016)