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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Am zweiten Pfingsttage.
Apostelgeschichte 10, 42–48.

 WAs haben die Apostel gepredigt? So haben wir bei der Epistel des zweiten Ostertags gefragt. Und heute, wo wir die Fortsetzung jener Epistel lesen, fragen wir noch einmal so, um die Antwort zu Ende zu bringen. An Ostern sagten wir: Der Anfang aller apostolischen Predigt ist Geschichte JEsu. Und heute setzen wir dazu: Sie wiesen aber auch auf die Wiederkunft JEsu und auf das Gericht, welches zu halten Er von dem ewigen Vater berufen ist. Die Vergangenheit JEsu, Seine Gegenwart, Seine Zukunft, alles was zur Erkenntnis Seiner Person und Ehre gehörte, wurde von ihnen jedem Anfänger im Christentume je nach seiner Gabe mitgetheilt. Und sowohl die Geschichte, als die Zukunft JEsu wiesen sie dann in den Propheten nach und zeigten, wie alle Propheten von Ihm zeugen. Und wenn sie das alles gesagt und bezeugt hatten, dann wiesen sie auf die Kraft und Macht des HErrn JEsu und auf die Wirkung ihrer Predigt, Glauben zu wirken und Vergebung der Sünde in die Herzen zu bringen. Und auch das wiesen sie weiter als Erfüllung prophetischer Aussagen nach. Die Geschichte JEsu, die Zukunft JEsu, die Weißagung aller Propheten von Ihm, der Glaube, die Vergebung der Sünden − das also sind, wenn wirs gemäß unserm Texte zusammenfaßen, die Hauptstücke der apostolischen Predigt unter den Heiden, wie unter den Juden. Denn auch den Heiden wurde Christus als Der bewährt, welcher nach Gottes Rath und Seines Mundes Vorausbestimmung kommen sollte. Auch den Heiden wurde die Prophezei vorgelegt, auf daß sie vor der Geschichte desto mehr Achtung hätten, je mehr sie dieselbe als ein Werk der göttlichen Vorsehung erkannten.

 Wenn sie nun diese Predigt erschallen ließen, da waren sie nicht allein, sondern der HErr war mit ihnen, wirkte durch sie den Glauben und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen. So war es in unserer Epistel. Cornelius und die Seinigen fielen der Predigt Petri bei, nahmen sie auf als Gottes Wort, was sie auch war, und fanden durch Kraft derselben ihr Herz voll Licht und Zuversicht. Und neben diesen innern Wirkungen gab es alsbald begleitende, bekräftigende Zeichen und Wunder. Cornelius und die Seinigen, weder beschnitten, noch getauft, fiengen an mit andern Zungen zu reden, wie die Apostel selbst am Pfingsttage, und Petrus und seine Begleiter priesen verwunderungsvoll den HErrn, der nicht Person ansieht, sondern auch den Heiden Buße zum Leben und die außerordentlichen Gaben Seines Geistes schenkt. − So war auf eine augenfällige und auffallende Weise bewiesen, was seitdem immer mehr anerkannt und in volle Erfahrung gebracht wurde, daß Gottes neutestamentliches Pfingsten allen Menschen vermeint sei und daß der Auftrag Christi, allen Völkern das Evangelium zu predigen, nicht anders gemeint war, als er lautete, daß er wörtlich vollzogen werden mußte und daß er nicht so gedeutet werden durfte, als müßten alle Völker Juden werden und durch den Umweg der Beschneidung zu ihrem Heil und Heiland kommen.

 So wie nun Petrus sah, daß den Heiden die außerordentlichen Gaben des Geistes gegeben wurden, zweifelte er auch nicht, daß ihnen die ordentlichen gegeben werden müßten und ließ sie taufen. Er hätte einen umgekehrten Schluß ziehen und sagen können: Weil diese Heiden die außerordentlichen Gaben besitzen, brauchen sie die ordentlichen nicht. Aber so schließt der Mann nicht, der im Lichte des Geistes wandelt, und sein Beispiel lehrt auch uns, wie hoch wir die ordentlichen Gnadengaben zu schätzen haben. Keine außerordentliche Gabe macht die ordentliche überflüßig; denn jene macht herrlich, diese aber macht selig − und selig sein ist nöthiger als herrlich sein.

 Wer glaubt und getauft wird, soll selig werden. Wohlan! Glaube ist bei Cornelius; so darf die Taufe nicht fehlen. Der Glauben gibt, gibt auch die Taufe. Der eins befiehlt, befiehlt das andere. Drum werde Ihm unter allen Umständen und in allen Fällen gehorsam. Glaube und Taufe mögen allezeit als nothwendig erkannt werden!




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/297&oldid=- (Version vom 14.8.2016)