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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

dieses ist Frucht − aber nicht kenntlich für andere, sondern nur für die eigene Seele; denn von dem innerlichen, aus der Tiefe strömenden Gebete weiß Sicheres nur Gott und die eigene Seele. − Zum unverläßigen Aeußern rechnet der HErr ferner die außerordentlichen Gaben, das Weißagen in Seinem Namen, das Teufelaustreiben in Seinem Namen, das Thaten thun in Seinem Namen. Wenn der HErr es nicht ausdrücklich sagte, daß Er dereinst auch solche, die sich so großer außerordentlicher Gaben vor Ihm rühmen können, auf ewig von Sich weisen werde; wir würden uns schwer zu dem Satze aufgeschwungen, uns schwerlich erkühnt haben, zu sagen: Der HErr kann Seine außerordentlichen Gaben auch solchen geben, die Er ewig verstoßen wird. Nun Ers selbst sagt, wer wills verneinen? Also ist kein Weißagen, kein Teufelaustreiben, kein Wunderthun so wichtig, so hoch zu achten, daß man um des willen ein vertrauensvolles Ohr dem Wunderthäter leihen, oder gar ihm seine Seele zur Leitung übergeben dürfte. Man könnte, wenn man darauf trauen wollte, betrogen werden. Es ist hoch zu verwundern, aber die Schrift sagt es öfters, sie sagt sogar von dem Antichristus, daß er Zeichen thun werde, welche, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführen würden, − und sie stellt uns in einem Saul und Bileam Beispiele auf, welche die Wahrheit besiegeln, daß man ein Kind des Satans sein und dennoch, ergriffen vom Geiste Gottes, weißagen könne. In einer Zeit, wie die unsrige ist, in welcher neben den Gnadenergießungen des heiligen Geistes so viel Ungeheures sich regt, was die Seelen verwirrt, wo grobe, starke Täuschungen vorkommen, wo man über die Versuchlichkeit und leichte Verführung der Menschen staunen muß, ists gut und nöthig, solche Stellen, wie die unsers Textes, von der wir reden, recht laut zu wiederholen, recht oft zu sagen, als Fahne aus-, als ein Panier aufzustecken, damit nicht falsche Propheten, Lügner und Belialskinder die armen Seelen verführen. Wenn man den Namen JEsu durch Wunder und Kräfte verherrlichen, also in einem gewissen Maße das Reich ausbreiten kann, das nicht von dannen ist, und doch als ein Gleisner und Lügner, als ein fauler Baum zum Feuer verdammt werden kann: was soll dann nicht bei denen Statt finden können, die den Namen JEsu, Seine und Seines Reiches Ehre gar nicht oder doch nicht sonderlich im Auge haben!

 Doch hier komme ich nun eben zur Hauptsache, zur Darlegung deßen was Frucht sei, und hier wollen wir uns, um nicht irre zu gehen fest an die Worte unsers Textes halten. Der Text redet von Propheten. Die öffentliche Anrufung des HErrn und die sich äußerlich erweisenden Prophetengaben sind es also nicht, welche eines Propheten Frucht sind. Was ist denn eines Propheten Frucht? Der HErr sagts klar, was eines Propheten Frucht sei, nemlich den Willen Seines Vaters im Himmel thun. Es fragt sich hier nicht, wie ein anderer Mensch, auch nicht zunächst wie ein Prophet in seinem gewöhnlichen Leben den Willen Gottes thue, sondern wie er ihn thue als Prophet. Wenn wir die rechte Antwort auf die Frage haben: „Was ist der Wille Gottes an die Propheten, was sollen sie in ihrem Amte thun?“ so haben wir die Erkenntnis der Frucht eines Propheten. Nun sagt der HErr zu Mose: „Du sollst Aarons Gott sein und er soll dein Prophet sein“; er sagt es, da Mose wegen seiner schweren, unbeschnittenen Zunge sich weigerte, den großen Auftrag zu übernehmen, den ihm Gott geben wollte. Was war also Aaron, der Prophet Mosis anders, als ein Verkündiger deßen, was ihm Mose sagte, ein Mund Mosis und in Ausführung der Worte Mosis auch seine rechte Hand? Eben so ist es nun mit allen Propheten. Sie thun den Willen Gottes, wenn sie nicht weißagen ihres Herzens Gedicht, nicht predigen ihre eigenen Träume, sondern an Gottes Munde hangen, gewißenhaft auf den Dächern reden nur was Gott zu ihnen heimlich sagt, in ihrem Amte thun, was Gott befiehlt, mit Fleisch und Blut sich nicht besprechen, nach zeitlichem Vortheil niemals handeln, sondern lediglich im Gehorsam ihres Gottes stehen. Ganzheit, völlige, ausnahmslose Hingabe in des HErrn Dienst, das ist es, was ihnen ziemet. Propheten sein und sonst nichts, rufende Stimmen in der Wüste, weiter nichts, − das ists, das sollen sie, das ist der Wille des HErrn. Solcher Propheten „HErr, − HErr − sagen,“ ihr Weißagen, Teufelaustreiben und Wunderthun ist angenehm dem HErrn.

 Hiemit scheint freilich nicht sehr viel gesagt zu sein, weil ja noch nicht gesagt ist, wie man erkennen soll, daß ein Prophet Gottes Wort und Willen thut. Aber es liegt hier die Befriedigung nicht ferne. Es sind ja der Propheten nicht bloß einer oder zwei, sondern viele, Gott hat zu vielen gesprochen und Sein bewährtes

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/394&oldid=- (Version vom 17.7.2016)