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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

 Wie sich der ungerechte Haushalter aus seiner zeitlichen Verlegenheit half, zeigt uns das Gleichnis. Er rief die Schuldner seines Herrn und schrieb ihre Schuldbriefe um, daß sie seinem Herrn weniger schuldig, ihm aber, dem ungerechten Haushalter, desto verpflichteter wurden. Er bestand nun doch einmal in seiner Rechnung nicht, und vom Amt gesetzt wurde er doch: da däuchte es ihm geringes Uebel, wenn seine Verschuldung gegen seinen Herrn und die Summe seiner Veruntreuung noch größer wurde, als sie schon war: es geschah ihm deshalb doch nicht mehr, als ihm ohnehin schon bevorstand. Und die Schuldner des Herrn waren denn doch gezwungen, ihm wohlzuthun, ihn aufzunehmen in ihre Hütten. Er hatte sie ja in seiner Gewalt. Er durfte ja nur, wenn sie einmal seiner satt werden und sich seiner entledigen wollten, seinem vormaligen Herrn anzeigen, er habe sich bei seiner Rechnungslegung geirrt, der und der sei seinem Herrn noch mehr schuldig; ja, bei seiner Schlechtigkeit konnte man ihm noch mehr zutrauen, er konnte den Reuigen spielen, dem Herrn die Verfälschung der Schuldbriefe gestehen u. s. w. Was stand dann den Schuldnern bevor? Der Bösewicht bekam sie in seine Gewalt und konnte sie nach Herzenslust zu seinem Vortheil preßen. Wie half sich also dieser Abscheuliche? Er drängte die Folgen seiner früheren Sünden durch neue Sünden, die Strafen früherer Betrügereien durch neue zurück. Um die Waßer, die auf sein Land hereinstürzen wollten, abzuhalten, dämmte und stemmte er sie desto höher hinauf. Er mußte inwendig immer mehr Grauen empfinden und die Furcht vor der Zukunft mußte wachsen. Die hoch und höher aufgedämmten Waßer brausten mehr, sie konnten einmal schnell den Damm zerreißen: weh dann dem Elenden, der sich in den ungleichen Kampf mit einer wachsenden Schuld begeben hatte. Es war im Thun des Haushalters keine weitaussehende Klugheit; aber nach der kurzsichtigen Weise der Welt und da er nun einmal sich nicht bekehren und die Gnade seines Herrn anrufen wollte, war sein Verfahren doch klug zu nennen. Was kann denn ein Mensch, der sich nicht beßern will, weiter thun, als das, was ihm sicher droht, aufhalten auf eine Weile, zurückdrängen auf eine kleine Strecke? Das that der Ungerechte − er that klüglich, obschon sehr sündlich, und jenes, nicht dieses wird von seinem Herrn gelobt. Unser HErr lobte nicht einmal jenes, weil die Klugheit des Sünders viel zu kurzsichtig ist, um dem ewigen Tode zu entrinnen, und der HErr nur eine solche Klugheit, die sich für ewig hilft, nicht aber eine, die jede Minute ihre Strafe finden kann, lobt. Christus bezeichnet diese Klugheit als eine Klugheit der Kinder dieser Welt, durch welche die Kinder des Reiches und Lichtes zum Eifern gereizt werden sollen, aber zum Eifern in einer Klugheit, welche mit der des ungerechten Haushalters keine Gemeinschaft haben, sondern, ihrer und ihres Gottes in Heiligkeit und im Erfolge würdig, allem Uebel entgehen und zum sichern Frieden des ewigen Lebens geleiten soll. Dieser Welt Klugheit soll die Kinder des Lichtes nach himmlischer Weisheit begierig machen. Helfen sich jene aus den zeitlichen Verlegenheiten ihrer Sünden, so sollen diese sich um so mehr aus den ewigen Verlegenheiten helfen, weil ihnen Christus mit Seiner Weisheit beisteht und sie an Seiner Hand die Wege finden können, die von selbst in keines Menschen Herz gekommen wären. Was der HErr tadelnd sagt, daß die Kinder der Finsternis in ihrem Geschlechte klüger seien, als die Kinder des Lichts in dem ihrigen, das soll durch Seine Unterweisung und Führung anders und beßer werden.

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 Mit den Kindern des Lichtes meint der HErr nicht geborene, sondern wiedergeborene Kinder des Lichts, also Menschen und Sünder wie wir, die aber, durch Seine Gnade umgewandelt, würdig waren, Kinder des Lichtes zu heißen. Er meint Seine Jünger und insonderheit die Zöllner, welche über ihr früheres Thun betrübt, sich nun an Ihn angehängt und angeschloßen, Vergebung gefunden hatten und an der Pforte einer beßeren und heiligeren Zukunft standen. Sie wußten es ganz wohl, daß sie ungerechte Haushalter waren, sie konnten sich keineswegs verantworten, sie wären in einer unlösbaren Verlegenheit gewesen und rathlos in die Verzweiflung hingegangen, wenn sich ihnen nicht der Sohn Gottes barmherzig und gnädig genähert, ihnen das Alte vergeben und Wege gezeigt hätte, wie sie ihrer Seits die Erneuerung ihrer Seele beweisen und die Folgen ihrer einzelnen Sünden, welche durch die Vergebung nicht aufgehoben werden, sondern nur den Stachel der Verdammnis verlieren, für ihre Seelen gnädig wenden könnten. Wenn einer gleich der Hauptsache nach schon Rath für seine schuldbeladene Seele in der Vergebung, in dem Rathe Gottes zur Erlösung der Sünder die heilsamste Weisheit − nicht

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 059. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/398&oldid=- (Version vom 17.7.2016)