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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

eine menschliche, sondern die göttliche − fand; so bleibt es ihm dennoch ein heiliges Studium, menschlich gut zu machen, was immer gut gemacht werden kann, und damit zu beweisen, daß die heilige Vergebung sein Herz nicht leichtsinnig gemacht, sondern geheiligt hat. Beförderung dieses heiligen Studiums − wenn ichs so nennen darf − ist es zunächst, was in der ferneren Unterweisung Christi liegt. Die Zöllner hatten Mammon d. i. Geld, welcher von der Welt für eine Quelle alles Guten gehalten und wie ein Götze verehrt wird, sie hatten ungerechten Mammon, denn sie hatten ihn auf unrechtmäßige Weise gewonnen. So wie es nun mit ihnen geworden war, war ihnen dieser ungerechte Mammon eine drückende Last der Seele und es handelte sich alles Ernstes darum, was mit ihm anzufangen war. Erstatten denen, denen er abgenommen, war zu schwer: wie kann der Zöllner alle wiederfinden, die er in seiner Zollbude vorübergehen sah und betrog? Was soll er thun? Da dient das böse Beispiel des ungerechten Haushalters zur guten Anwendung und die böse Klugheit eines Kindes der Finsternis zeigt reumüthigen Kindern des Lichtes die edle Straße. Der ungerechte Haushalter gewann sich Freunde, die ihn aufnahmen, als ihn sein Herr verstieß. Dem gemäß spricht der HErr: „Ich sage euch, machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Es gilt also auch für die Zöllner, sich Freunde zu machen, welche zur Zeit, wo die Noth an die Seele dringt, wo die Seele ewiges Darben befürchten muß, wo der Tod und hinter ihm ein gerechtes Urtheil zu erwarten ist, zwar nicht in die eigenen Hütten aufnehmen, denn sie können es nicht und haben keine eigenen, aber fürbitten, die Reue und Beßerung des armen Sünders bezeugen und ihn dadurch zu dem HErrn und Seinem ewigen Hausfrieden einführen. Es ist also das die einfache Anleitung der himmlischen Weisheit, übel erworbenes, ungerechtes Gut, das man nicht mehr erstatten kann, zu Wohlthaten anzuwenden und zwar zu Wohlthaten gegen fromme Arme, die sich dadurch zum Gebete, zur Fürbitte bewegen laßen und dermaleins als lebendige Zeugen der wahrhaftigen Beßerung vormals gottloser Reichen auftreten können. Dem Vergelts-Gott und Gebete des frommen Armen wird hiemit allerdings eine große Kraft und dem treuen Anwenden ungerechten Mammons zu Werken der Barmherzigkeit ein reicher Segen zugeschrieben. Es wäre zu wünschen, daß die Armen ihre Fürbitte für reiche Wohlthäter, die Reichen ihre Wohlthaten für fromme Arme treuer und reichlicher fließen ließen, und es ist kaum zu begreifen, warum so einladende Verheißungen zu Gebet und Wohlthun, wie sie in diesem Evangelium vorliegen, nicht eine lockendere und reizendere Einwirkung auf reiche Geber und arme Empfänger haben.


 Der HErr spricht von den Armen, als von Freunden, welche in die ewigen Hütten aufnehmen sollen. Dies beweist uns, daß der Reiche, der sein Gut übel erworben und übel angewendet hat, jeden Falls kein Recht auf das Himmelreich hat. Es zeigt aber auch, daß der Reiche, der sein übel erworbenes Gut recht anwendet, deshalb kein Recht auf die ewigen Hütten hat, − denn einerseits geht sein Thun schon aus dem Geschenke göttlicher Vergebung und himmlischen Friedens hervor, anderer Seits wird ja nicht ihm, sondern Gott und dem armen Freunde die Aufnahme in die ewigen Hütten zugeschrieben. Doch wird damit auch den Armen, die man unterstützt hat, die Ehre der Errettung unsrer Seelen keineswegs gegeben. Man kann die Worte: „Auf daß sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten“, ganz wörtlich nehmen, ohne deshalb einerseits Christi Ehre wegzugeben, anderer Seits ein Verdienst der Werke zu lehren. Christi Verdienst bleibt vollkommen und zu unserer Seligkeit allein giltig, wie es auch in der heiligen Schrift gelehrt ist. Er ists, zu dem sich die Sünder sammeln und sammeln müßen, zu dem sich auch die Zöllner gesammelt haben. Hier ist bloß von einem − wörtlich so verstandenen − Aufnehmen und Einführen der abgeschiedenen Seelen in die ewigen Hütten die Rede. Man faße die Worte nur recht treu, recht wortgetreu, und es wird weiter nichts aus ihnen hervorgehen, als daß der ewige König diejenigen, welchen man wohlgethan hat, nachdem man sich bekehrt hatte von Geiz und Habsucht, gebrauchen will, um seine armen, bekehrten Zöllner zur Zeit ihres Abscheidens in sein liebes, lichtes Reich und zu seinem Throne einzuführen. − Indes zwingen uns doch die Umstände, unter denen ein Reicher seine Wohlthaten ausstreut, lebt und stirbt, der wunderlieblichen Verheißung und ihrem wörtlichen Verstande eine weitere Deutung anzuhängen. Es sind ja grade nicht alle die

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 060. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/399&oldid=- (Version vom 17.7.2016)