Seite:Wilhelm Löhe - Evangelien-Postille Aufl 3.pdf/420

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

 5. Der nämlich: ER hat Alles wohl gemacht! Die Tauben macht Er hörend und die Sprachlosen redend!

 Dies Lob wird Ihm bleiben, wenn die Sonne und der Mond nicht mehr sind! Das wird nicht Lügen gestraft werden vom Feuerschein der untergehenden Welt! Es ist ein Geschrei in der Welt, daß ER alles wohl macht! Immer zahlreicher wird die lobsingende Schaar! Ihr Lobgesang geht Tag und Nacht fort von der Erde bis zum Himmel! Alle Land, alle Land sind Seiner Ehren voll! Das Kind am Hochaltare, am Firmungstag, die Braut und der Bräutigam unter der segnenden Hand, der Priester mit dem Sacramente, die Mutter, wenn sie ihren Neugeborenen herzt, der Mann am Ziele seines Berufs, die Christenseele, wenn sie von dem Leibe auffährt, die Seele, die ein gnädiges Urtheil fand, − sie haben von Seiner, von unsers HErrn Reichsverwaltung nur Einen Eindruck: Er hat Alles wohl gemacht! − Dies Geschrei wird einst so laut werden, daß die Hölle nicht wird widerstehen können, daß die Teufel miteinzustimmen genöthigt sein werden! Von der Tiefe bis in die höchste Höhe, von Ewigkeit zu Ewigkeit ist und wird sein Eine Stimme: Er hat alles wohlgemacht! Hörst du, Er hat alles wohlgemacht!

 Einst wollte ER in den Tagen Seiner Niedrigkeit das Geschrei beschwichtigen: denn Er wandelte in Seiner armen Gestalt, Er schrie und zankte nicht, Er fuhr sanft einher, man sollte Sein noch unvollendetes Werk nicht stören, der Hindernisse nicht allzuviele aufthürmen! Jetzt ists anders! Jetzt will ER den Lobgesang, jetzt läßt ER sich hernieder, jetzt ist es Seine Demuth, ihn anzunehmen! Vom Cherub Seines Thrones, vom Aeltesten auf dem Stuhle bis zum Bienlein kurzer Stunden ist Ein Schall: Er hat alles wohlgemacht!

 Wach auf, der du schläfst! Wach auf, hörst du nicht den Bräutigam und die Braut? Warum träumt man? Hört man nicht, daß die Braut-Nacht kommt, weil man so sehr schweigt! Hephatha! Thue dich auf, o finsteres Ohr des Herzens. Alles ist vollendet − Er hat Alles wohlgemacht! Der Feind ist bezwungen, das Leben errungen − Es gibt keinen Tod mehr! Gott ist uns versöhnt! Das Paradies Gottes ist wieder gefunden und offen für alle Kommenden! Nichts hindert! Er hat alles wohlgemacht! Ich grüße dich mit diesem Gruße. Antworte mir ebenmäßig.

 Antwortest du nicht? Macht auf dich deine Lebensführung und das Anschauen der Führung Anderer den Eindruck nicht? Siehst, greifst dus nicht, wie wir, daß ER alles wohlgemacht hat? − So bringen wir dich betend zum HErrn, der die Tauben hörend, die Stummen redend macht.

 Ja, HErr, Du siehst die Tauben und die Stummen! Rühre Ohr und Zunge! Segne durch die Gnadenmittel. Anfänger, beginne! Vollender, vollende! Laß hören Deine Stimm und ihre Seel weck auf und führ sie schön verklärt zum auserwählten Haus! JEsu, JEsu! Amen.




Am dreizehnten Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Luc. 10, 23–37.
23. Und Er wandte Sich zu Seinen Jüngern und sprach insonderheit: Selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet. 24. Denn Ich sage euch: viele Propheten und Könige wollten sehen, das ihr sehet, und haben es nicht gesehen; und hören, das ihr höret, und haben es nicht gehöret. 25. Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte Ihn und sprach: Meister, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe? 26. Er aber sprach zu ihm: Wie stehet im Gesetz geschrieben? wie liesest du? 27. Er antwortete und sprach: Du sollst Gott, deinen HErrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüth; und deinen Nächsten als dich selbst. 28. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; thue das, so wirst du leben. 29. Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 081. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/420&oldid=- (Version vom 24.7.2016)