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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Absolution gehört denen, die da glauben.“ Es versteht sich das zwar von selbst; aber es ist doch werth, daß man es wiederhole: „Die Absolution gehört denen, die da glauben.“ Ich will euch meinen Sinn erklären. Versetzt euch in einen Sonnabend-Nachmittag oder in einen frühen Sonntagsmorgen, in die Nähe einer Kirche, einer Landkirche − wenn es Sonnabend, einer Stadtkirche, wenn es früher Sonntagsmorgen sein soll. Es ist kein öffentlicher Gottesdienst, dennoch kommen Haufen Volkes im Bußgewande, denn sie wollen beichten. Tiefer Ernst ist den einen, den andern ist die Ruhe eines Gewohnheitsganges, den dritten lustiger, mit dem Bußgewande im Widerstreit befangener Leichtsinn auf dem Gesichte zu lesen. Geh mit dieser schwarzbekleideten und dennoch bunten Schaar hinein in die Kirche, sieh und höre. Man singt: „JEsus nimmt die Sünder an“, der Pfarrer am Altare vermahnt die Schaar, in Städten zum Theil seine eigenen, ihm bekannten, zum Theil fremde, seinem Amtsbruder zugehörige Beichtkinder. Nach der Vermahnung spricht er im Namen aller die Beichte, vielleicht bekräftigen sie etliche von der Schaar mit Ja und Amen auf Befragen, vielleicht auch nicht. Und wie sie stehen, ohne allen Unterschied, gezählt und ungezählt, bekannt und unbekannt, − werden sie absolvirt. Die einen hörens nicht und achtens nicht, die andern hörens und glaubens nicht, die dritten hörens und höhnen, die vierten hörens und glauben. Mancherlei Volk − und sind nun alle absolvirt. Hältst du’s also für Recht? Die Absolution gehört doch den Gläubigen! Du sprichst: Wer kann denen ins Herz sehen, wer kann wißen, ob sie glauben? Aber hat denn der Glaube nicht seine Früchte und eben so der Unglaube? Wenn etliche höhnen und spotten, etliche der Absolution nicht achten, bloß aus Gewohnheit kommen, kann man denn das nicht wißen? Gibts da nicht wenigstens eine Warnung vor Frevel, vor Selbstbetrug, vor Lauigkeit, vor Trägheit? Und wenn nun vollends unter denen, die da kommen, grobe Sünder sind, welche die Buße mit Trotz verweigern, bei welchen Beichte und Abendmahl kaum einen Aufenthalt von Sünden, kaum einen kleinen Zwischenraum zwischen den Sünden vor- und nach bilden?! − Es wäre viel zu sagen; aber ich merke, daß ich hier für die rede, die mich nicht hören, und daß, die einen Unterschied im Absolviren machen könnten, von dieser Gewißensrüge leiblich ferne sind und nichts von ihr wißen. Seis aber, wie es will, meine Brüder! Das ist wahr, daß die höhnenden, spottenden, unbußfertigen, harten, stolzen Sünder, die kein Heil suchen und an keinen JEsus glauben, nichts empfangen, keine Absolution, und wenn sie sich dieselbe aufschrieben, und wenn sie sich dieselbige schriftlich geben und von sterblichen Händen besiegeln ließen! Und wenn unter euch Leute sind, die, obwohl in der Beichte nicht so obenhin behandelt, wie jene Schaar, doch die Absolution nicht glaubten, sie scheinbar ehrerbietig hörten, innerlich aber verwürfen und verspotteten, − so gilt auch ihnen dies Wort: sie haben keine Vergebung, ihre alte Sünde ist ihnen behalten und die neue, die sie mit Unachtsamkeit, Verachtung und Verhöhnung der Absolution begangen, ist als ein schweres Gewicht in die Wagschaale der alten gelegt.

 Ganz anders ist es mit den Gläubigen. Sie beichten ihre Sünden von Herzen und sprechen mit Daniel tagtäglich, in und außerhalb der heiligen Versammlung auch für alle Brüder in der Welt die Beichte. Sie bringen nicht bloß ihre eigene arme Seele bekennend und reuend herzu; sondern wo sie einen finden, der gleich ihnen gichtbrüchig und elend ist, den bringen sie betend und beichtend mit und bitten nicht für sich allein, sondern auch für ihn um Genesung und Frieden. Sie beten und beichten für alle Bußfertigen, sie bitten für alle um Gnade; da geht es dann, wie im Evangelium, der HErr sieht ihren Glauben an und gibt ihnen Frieden für sich und in Anbetracht der andern, für deren Seelen sie, wie für die eigene Seele sorgten. Ihr Herz kennt drum kein seligeres Amt, als das der Absolution, keine fröhlichere Gabe als die Vergebung der Sünde, und sie danken ohn Unterlaß, daß sie in der heiligen Kirche geboren, in ihrer Mitte groß gezogen sind und von ihrem Zuspruch immer aufs Neue getröstet werden. Sie wißen, daß außer der Kirche keine Vergebung ist und kein Friede, und drum schätzen und preisen sie es für ihr größtes Glück, daß sie zur Kirche gehören, in welcher ihnen täglich alle Sünden reichlich vergeben werden.

 Liebe Brüder, Gott reiße jede bittere Wurzel der Unbußfertigkeit und des Unglaubens aus euren Herzen; Gott schenke euch Absolution, Glauben an dieselbe und ihren Frieden! Gott lehr euch aber auch die selige Kunst, daheim in euern Hütten und hier im Hause des HErrn, in jedem Gottesdienste für alle Christen zu beichten

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/460&oldid=- (Version vom 24.7.2016)