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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

das neue, in welchem wir ja nicht blos hier in der streitenden, sondern auch dort in der triumphirenden Kirche ewig glänzen werden. Wir haben den Schmuck der Ewigkeit, wenn wir Christi Vergebung und Gerechtigkeit besitzen, − wir haben den Brunnen des Lebens und der Seligkeit, − wir sind ewig reich! So helf uns doch Gott zu unserm ewigen Glück und bewahre uns vor allen den zahllosen Gräueln, welche aus der Miskennung und Verachtung der heiligen Lehre von dem hochzeitlichen Kleide der Gerechtigkeit Christi kommen! Amen.




Am einundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Joh. 4, 47–54.
47. Und es war ein Königischer, deß Sohn lag krank zu Capernaum. Dieser hörete, daß JEsus kam aus Judäa in Galiläam, und gieng hin zu Ihm, und bat Ihn, daß Er hinab käme, und hülfe seinem Sohne; denn er war todtkrank. 48. Und JEsus sprach zu ihm: wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet, so glaubet ihr nicht. 49. Der Königische sprach zu Ihm: HErr, komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt 50. JEsus spricht zu ihm: Gehe hin, dein Sohn lebet. Der Mensch glaubte dem Wort, das JEsus zu ihm sagte, und gieng hin. 51. Und indem er hinab gieng, begegneten ihm seine Knechte, verkündigten ihm, und sprachen: Dein Kind lebet. 52. Da forschte er von ihnen die Stunde, in welcher es beßer mit ihm geworden war. Und sie sprachen zu ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. 53. Da merkte der Vater, daß es um die Stunde wäre, in welcher JEsus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebet. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. 54. Das ist nun das andere Zeichen, das JEsus that, da Er aus Judäa in Galiläa kam.

 1. DEr HErr war zu Cana in Galiläa, wo Er das Waßer zu Wein gemacht hatte. Seinen Aufenthalt erfuhr ein Königischer, d. h. ein Hofbedienter des Herodes, welcher zwar eigentlich nur Vierfürst war, aber doch den Königstitel führte und dadurch auch seine Hofbedienten zu Königischen stempelte. Der Königische, von dem wir lesen, wandte sich zu JEsu. Ob der Königische ein hochgestellter Beamte war oder nicht, das vermag ich nicht anzugeben. Er mag aber hoch oder niedrig gewesen sein, immerhin war seine Stellung eine solche, welche es ihm erschweren mußte, seine Zuflucht zu JEsu zu nehmen. Als königlicher Hofbediente war er doch immerhin vor andern ausgezeichnet, sein Thun und Laßen war mehr als anderer Leute beobachtet, beobachtet von seines Gleichen, beobachtet vom Volke. Da nun der Mensch überhaupt gerne verborgen ist, wenn er wider die seinem Stande anklebenden Sitten oder Vorurtheile handelt, und in unserm besondern Falle vielleicht noch ein Hohnlächeln und ein Spott der übrigen Hofbedienten auf den Königischen fallen konnte, so ist es schon einigermaßen hervorzuheben und zu bemerken, daß er dennoch zu JEsu kam. − An und für sich ist zwar ein Hofbedienter und ein unbeachteter Mensch, ein Bettler oder wen man sonst nennen will, ganz gleichen Werthes. Seele ist Seele, und angenehm im Himmel ist nur die, welche sich zum HErrn wendet, sie sei eine Königsseele, oder die Seele eines Sklaven. So kann es denn auch für uns als Kinder des Reiches nicht die eigene Würde des Menschen sein, um deren willen wir es bemerkenswerther finden, wenn ein Mann von Rang und Ansehen dem HErrn und Seinem Reiche sich zuneigt; sondern es ist das kenntlichere Beispiel und die daraus fließende, kräftigere Wirkung desselben auf Menschen, wie sie gewöhnlich sind. Gründe der Menschenliebe machen es wünschenswerth, daß viele Hohe und Edle öffentlich auf JEsu Seite treten. Die der HErr durch Glück und Rang und Würde dieser Erde ausgezeichnet hat, sind dem Volke die angenehmsten Führer zum Guten. Gesegnet seien deshalb auch in unsern Tagen die Königischen,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/467&oldid=- (Version vom 24.7.2016)