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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

der Seligkeit, welche Millionen treue Gläubige schon erfahren haben, bis zur Erfahrung der Verheißung dieses Lebens, welche die Gottseligkeit hat und hält, ist alles und jedes Wort Gottes völlig, völlig wahr, und unglücklich ist nur der Ungläubige, dem alle Dinge zum Unglauben dienen, weil sich vor seinem blinden Auge ihr Geheimnis nicht erschließt, sondern nur vor dem Auge des Glaubens.


 Der HErr, der dem Königischen durch das Wunder, welches zu Cana in Galiläa am Waßer geschehen war, den Glauben so erweckte und stärkte, daß er der zweite in Galiläa ward, dem zu Liebe ein großes Wunder geschah, schenke uns durch so viel Worte und Wunder JEsu starken Glauben, welcher aushält bis in den Tod und den Tod selbst überwindet! − Und noch ein Wunsch, meine Freunde, gesprochen für euch und für den selbst, der ihn spricht! Auf das Wunder glaubte der Königische mit seinem ganzen Hause. Wir wollen uns zum Hause des Königischen rechnen und mit ihm glauben, ja, ich getraue mich im Namen mancher unter euch zu sagen: „Wir wollen nicht glauben, wir glauben schon mit ihm. HErr stärke uns den Glauben!“ Aber neben uns stehen die Unsrigen. Möge es denen gehen wie dem Hause des Königischen, daß sie auch mit uns glauben und des Glaubens leben! Das ist ein trauriges, jammervolles Uebel, wenn man in einem Hause allein glauben muß. Man glaubt sich durch viel Elend hindurch, auch durch eine ungläubige Umgebung, durch ungläubige Söhne und Töchter; aber der HErr sei uns gnädig, laße uns unsere größten Erdengüter, unsre Kinder, im Glauben stehen und wandeln sehen, und vergönne uns, sie dermaleins einzuführen in die ewigen Hütten! Amen.




Am zweiundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

Evang. Matth. 18, 23–35.
23. Darum ist das Himmelreich gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte. 24. Und als er anfieng zu rechnen, kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund schuldig. 25. Da er es nun nicht hatte zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn, und sein Weib, und seine Kinder, und alles was er hatte, und bezahlen. 26. Da fiel der Knecht nieder, und betete ihn an, und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen. 27. Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts, und ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. 28. Da gieng derselbige Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an, und würgete ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist. 29. Da fiel sein Mitknecht nieder, und bat ihn, und sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen. 30. Er wollte aber nicht, sondern gieng hin, und warf ihn ins Gefängnis, bis daß er bezahlete, was er schuldig war. 31. Da aber seine Mitknechte solches sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen, und brachten vor ihren Herrn alles, was sich begeben hatte. 32. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlaßen, dieweil du mich batest; 33. Solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? 34. Und sein Herr ward zornig, und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlete alles, was er ihm schuldig war. 35. Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun, so ihr nicht vergebet von euren Herzen ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler.

 ES ist keinerlei Vermahnung zum Guten überflüßig, denn wir armen Menschenkinder sind von Natur zu allem Guten träg, und diese Trägheit hangt uns an, auch wenn wir bereits die Erstlinge des Geistes Gottes empfangen haben. Ein Antrieb thut uns immer aufs Neue Noth. So ist denn auch die

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/471&oldid=- (Version vom 31.7.2016)