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Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

Weißest du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet? Du aber nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes.“

 Aus dem bisher Gesagten geht Warnung genug hervor vor dem Misbrauch der Aernte, aber was wir endlich wißen müßen, nämlich wie man sie recht gebrauchen solle, das ist uns noch keineswegs gesagt, und doch gibt unser Text Anleitung genug dazu. Wir haben schon erinnert, daß das Größerbauen der Scheunen und das Sammeln und Aufspeichern der Früchte an und für sich nicht getadelt wird, da ja Gottes Güter nicht verschwendet werden sollen, sondern werth sind, mit heiliger Achtsamkeit und Sparsamkeit verwendet zu werden. Darum heißt es auch nicht V. 21. „Also gehet es, wer ihm Schätze sammelt“; sondern es heißt: „Also gehet es, wer ihm Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott.“ Wir sagen deshalb getrost: Die Bedingung des rechten Sammelns und Gebrauchens der Schätze „ist reich sein in Gott“. Der ist mit Sammlung, Besitz und Gebrauch der Schätze ein Sünder, welcher nicht reich ist in Gott. Reichsein in Gott, das muß dem Reichsein in Erdengütern vorangehen, sonst ist es jeden Falls gefehlt. Dem Reichsein in Gott geht aber wieder das Sein in Gott voran. Du mußt deshalb vor allen Dingen trachten, daß du in Gott seiest, sonst kannst du nicht reich sein in Gott und nicht zum rechten, seligen Gebrauch irdischer Güter kommen.

 Es ist, meine Freunde, möglich, daß auch ein Unchrist oder Heide für die Aernte, die Gott gibt, richtig danke; denn es gibt von allen Zuständen der Seele Stufen, die sich zuletzt abwärts in der Wohlgesinnung des natürlichen Menschen verlieren. Wir wollen keine Stufe des Dankes verschmähen, so wie wir auch keine Stufe des Gebetes verschmähen und am Ende auch das Schreien der Raben und das Brüllen der jungen Löwen nach Raub für Gebet gelten laßen müßen. Es will aber der Vater im Geist und in der Wahrheit angebetet sein und um solche Anbeter zu haben, nimmt Er Seine Auserwählten von der Welt, vergibt Er ihnen ihre Sünden, erfüllt Er sie mit Seinem Geist und kommt Selber mit Seinem Sohne in ihre Herzen, auf daß Er in ihnen sei und sie in Ihm, dem Gott, der alles in allem erfüllt. Mit andern Worten, Er macht Seine Auserwählten zu Christen und die können dann sagen, sie seien in Gott. Die aber also in Gott sind, die sind auch reich in Ihm, sie haben an Ihm so völlig genug, daß sie mit Jacob Esau gegenüber sprechen nicht bloß: „Ich habe genug“, sondern auch: „Mein Bruder, ich habe alles genug“. Sie stimmen, sie seien nun arm oder reich, alle Tage den Psalm an: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden! Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, bleibest doch Du, Gott, meines Herzens Trost und mein Theil!“

 Solche Menschen, welche in Gott Leben und volle Genüge gefunden haben, sind dann nicht bloß reich in Gott in dem Sinn, daß Gott ihr Schatz und Reichtum ist, sondern wenn ihnen irdischer Reichtum zufällt, so sind sie auch, was den Gebrauch dieses Reichtums anlangt, in Gott und weichen, indem sie ihn verwenden, nicht aus Gott und darum nicht von der gottwohlgefälligen, seligen Bahn. Sie wißen, daß alle ihre Schätze Gottesgaben sind, die obschon zeitlich und irdisch, nach Gottes wunderbarem Segen doch auch im Reiche der Geister durch richtige Verwendung Segen bringen können. Von Gott haben sie die Schätze empfangen, als von dem Vater des Lichtes, d. i. sie haben dieselben als gute Gaben empfangen und so verfahren sie denn mit ihnen auch wieder so, daß sie, so viel man das von Erdengaben sagen kann, zurückgehen zu Gott. Sie weben dieselben vor dem HErrn und bringen sie Ihm, geweiht durch Dankgebete als Opfer dar. All ihre Habe machen sie zu Gottes Opfer, von dem sie eßen, als von einem Opfermahle, − sie theilen ihren Weibern und Kindern und Verwandten, ihren armen Freunden und Feinden davon mit, als von eitel Heiligtum, − und wenn sie das Reich Gottes durch Verwendung ihrer Güter mehren können, das ist ihnen heilige Freude und Wonne, denn weil ihnen alles von Gott kam, so erkennen sie auch, daß alles am besten angewendet ist, wenn es im Dienste des Reiches und der Seelen verwendet wird. Sie sammeln deshalb auch für sich, zu eigensüchtigen Zwecken gar nichts, sie sind mit allem, was sie haben, nur im Dienste Gottes, so gestern wie heute, so heute wie gestern, und morgen ists auch so. Ihre Seele ruht in Gott, hat guten Muth in Ihm − und der gute Muth wird desto mehr gestärkt, wenn sie nur fleißig mit ihrem Zeitlichen Gotte dienen können. Ihr ganzes

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Evangelien-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1859, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Evangelien-Postille_Aufl_3.pdf/530&oldid=- (Version vom 8.8.2016)