Seite:Wilhelm Löhe - Lebenslauf einer heiligen Magd Gottes aus dem Pfarrstande 2 Aufl.pdf/35

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 5. Helene hielt schon als Mädchen gern ihre stille halbe Stunde, nur daß wir damals den Ausdruck „stille halbe Stunde“ nicht hatten; er gehört einer Zeit an, wo sie nicht mehr hier lebte. Sie trug ihren Schemel gern in ihren stillsten Winkel, schlug ihr Buch auf, las und betete. In der Brautzeit las sie unter anderem Luther’s Büchlein von der Freiheit eines Christenmenschen. Da kam sie auf dem Wege ihrer stillen Gedanken bis zu einer Wahrheit, die sie nicht auszusprechen wagte, die aber groß und schön ist im ehelichen und innern Leben des Mannes und seiner Frau. Sie schrieb am 28. Mai 1837:

 „In dem Sermon von der Freiheit eines Christenmenschen las ich heut auch eine herrliche Stelle über die Vereinigung der Seele mit Christo, als einer Braut mit ihrem Bräutigam. Wenn Christus und die Seele ein Leib werden, so werden auch beider Güter, Fall und Unfall und alle Dinge gemein; das, was Christus hat, das ist eigen der gläubigen Seele; was die Seele hat, wird eigen Christo. So hat Christus alle Güter und Seligkeit, die sind der Seelen eigen. So hat die Seele alle Untugend und Sünde auf ihr; die werden Christi eigen: Dank und Lob sei Gott für diese selige Vereinigung.“ –
 „Den unterstrichenen Satz verstehe ich aber nicht in Beziehung auf unsere Vereinigung; oder ist unsre Vereinigung auch so innig wie die der Seele mit Christus? Ist sie’s nicht? Du wirst ja mein Lehrer auch jetzt noch sein.“ –