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angedeutet wurde, wie auch St. Paulus Röm. 2, 28. 29 sagt: „Das ist nicht ein Jude, der auswendig ein Jude ist, auch ist das nicht eine Beschneidung, die auswendig im Fleisch geschieht; sondern das ist ein Jude, der inwendig verborgen ist, und die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht, welches Lob ist nicht aus Menschen, sondern aus Gott.“ Wenn nun die Beschneidung des Fleisches schon ein Zeichen der Abgesondertheit von der Welt und der Gottgeweihtheit ist, so ist die Beschneidung des Herzens ihrem Wesen nach selbst nichts anderes, als eine Absonderung des Herzens von allem, was Welt und Sünde heißt, und eine Weihe für Gott. – Es fühlt ein jeder Mensch die Anfechtung seines Herzens, fühlt, wie es so leidenschaftlich bald für dies, bald für jenes entbrennt, wie es oft durch ganz geringe Dinge in eine Unruhe gebracht wird, die das Gemüt befleckt, wie es so hastig zu dem Verbotenen trachtet und seine Schoß- und Lieblingssünden so geheim zu halten weiß; – er fühlt, wie sich oft die Gedanken untereinander verklagen und entschuldigen; – er weiß, daß er sein Fleisch kreuzigen soll mit allen Lüsten und Begierden, aber er fühlt, daß es nicht gelingt, daß ein Tumult in seinem Innern ist, ein immerwährendes Wählen und Verwerfen, ein Krieg der Vernunft mit Gottes Wort und des Gewissens mit unserm Leben; – es ist offenbar, daß das ein bedauernswürdiger Zustand ist, ein wahrer Jammer. Nun seht, Brüder, – wenn das Herz so umgewendet und verändert wird, daß es nicht mehr mit dem Bösen im Inwendigen streitet, daß es dem Bösen kein Gehör mehr giebt, sondern am Guten hängt; wenn die Liebe und Begier der Seele sich nicht mehr gefangen nehmen läßt von dem, was irdisch und vergänglich ist, wenn sie, obschon angefochten von dem Fleische und der Sünde, keine Lust mehr in sich spürt, einzuwilligen, – wenn das Herz nicht mehr weltlich ist, mit einem Worte, sondern göttlich gesinnt, dann ist die Beschneidung des Herzens da – und die ist doch wünschenswert für euch und alle Menschen – und ihr werdet mir doch nicht übel nehmen,