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Ärgernis, zu lehren, daß nur Vergebung, durch Blut und Wunden erworben, daß nur Gnade des heiligen Geistes, daß nur wunderbare Kräfte Gottes die menschliche Natur zum Guten führen können, – daß der Mensch verdorben, so verdorben sei, daß nur Wunder ihn retten können, – der wird, wie wir leider die Beispiele haben, auch unter euch, ein Feind Christi und Seines Evangeliums, und verkauft unter dem Namen Weisheit und Aufklärung eine Lehre, die sein eigenes Herz nicht trösten, noch stillen kann, sondern nur umhertreibt flüchtig und unstät, – weil geschrieben steht: „Die Gottlosen haben keinen Frieden!“ – Wer aber erkennt, daß der Mensch böse ist in seinem Dichten und Trachten von Jugend auf, wer durch aufmerksame, ruhige Forschung zur Erkenntnis seines armseligen und rettungslosen Zustandes kam, wer erkennt, daß kein Gebot Gottes ohne das andere ist, eines in und mit dem andern beleidigt wird, wer sich solcher Zeiten zu erinnern weiß, in denen sein Herz dem Bekenntnis eigener Bosheit widerstrebte und den haßte, der ihm seine Bosheit aufdeckte, in denen er es für eine Entehrung der Menschheit hielt, sich für kraftlos zum Guten zu erklären und für einen Sklaven des Bösen von Natur, – wer aber einsehen gelernt hat, daß selbst die Erkenntnis des Zustandes nur Gnade Gottes, um der Weisheit Christi willen gereicht ist, – der ist willig zum Glauben und bittet um ihn, bittet ernstlich und wird erhört, wird gläubig und durch den Glauben geheiligt.

 So sehr ich euch darum Heiligung und Glauben wünsche, ebensosehr wünsche ich euch am neuen Jahre Buße, weil ohne Buße kein Glaube und darum keine Heiligung sein kann, weil die Heiligung aus dem Glauben kommt.

 Ihr werdet – oder wenigstens ein Teil von euch wird sagen, ich möge nur mit meinen Wünschen ferne von euch bleiben, Gott solle vor deren Erfüllung euch bewahren, weil ihr da Betbrüder, Pietisten und Kopfhänger werden müßtet. Aber ich wünsche euch Gutes, es mag euch recht sein oder nicht, wünsche euch, daß ihr einmal euer stolzes Haupt möget in Demut senken vor dem HErrn, der kein Wohlgefallen an eurem fleischlichen Thun haben kann, daß ihr demütig zusammen