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Am 2. Sonntag nach Epiphanias.
(Merkendorf 1837.)


Röm. 7, 23. Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte.

 Zwei Gesetze unterscheidet St. Paulus in unserm Text – eins in den Gliedern und eins im Gemüte. Das Gesetz in den Gliedern ist die verderbte Neigung des menschlichen Herzens oder die Erbsünde - das im Gemüte ist Gottes heiliger Wille, welcher im Gemüte des Wiedergeborenen lebendig geworden ist. Von dem Gesetz in den Gliedern, von der Erbsünde, habe ich mir vorgenommen, euch heute zu predigen. Möge mein und euer Herz nun zur Predigt bereitet werden durch die Kraft des heiligen Geistes – um Christi willen! Amen.




 Wir fragen: Was ist die Erbsünde?

 Vernehmet hierauf meine Antwort mit willigem Herzen; denn es ist nicht meine Antwort allein, sondern die Antwort der heiligen Kirche und die Antwort der heiligen Schrift.


I.

 Die Erbsünde ist jene durch den Fall Adams verursachte Verderbnis der menschlichen Natur, nach welcher sie zu allem Guten untüchtig, zu allem Bösen aber geneigt ist. Dies Verderben ist ein allgemeines; alle Menschen, welche natürlich geboren werden, sind ihm unterworfen, und in jedem einzelnen Menschen sind alle Kräfte und Teile seines Lebens von demselben ergriffen und vergiftet. Wie ein Glas Wasser in allen seinen Tropfen vergiftet wird, wenn man Gift hineinschüttet,