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6, 5 und 8, 21 steht. Auch ist zwischen der Schöpfung und dem Urteil Gottes (1. Mos. 6 und 8) der Fall, wie jedes Kind weiß, und wir sagen nicht, daß Gott Sein Geschöpf schlecht geschaffen habe, sondern daß die gute Kreatur durch des Teufels Neid und eigene Wahl schlecht geworden sei. – Es könnte hierauf einer sagen, daß die angeführten Stellen streng genommen nicht beweisen, daß der Mensch mit Erbsünde beladen sei. Denn es heiße 1. Mos. 8 bloß: „von Jugend auf.“ Allein schon 1. Mos. 6 heißt es: „nur böse immerdar“ – dieses „immerdar“ aber umfaßt die ganze Zeit eines Menschenlebens vom ersten Werden bei der Empfängnis bis zum Ende. Wenn aber einer auch das nicht will gelten lassen, so verweisen wir ihn auf Ps. 51, 7. In dem 51. Psalm beweint David seine Sünden, namentlich die an Uria und dessen Weibe begangenen, er redet nicht von fremden, sondern von eigenen, wie jedermann erkennen kann, welcher den Psalm liest – und sagt in diesem Zusammenhang: „Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeuget, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.“ Es würde erbärmlich in einen Bußpsalm passen, wenn David mit diesen Worten etwa seinen Vater oder seine Mutter der Sünde anklagen wollte; wenn aber das wahr ist, so beklagt er offenbar nichts anderes, als daß er von der Empfängnis an ein Sünder gewesen sei – daß ein sündhafter Same ihm die Entstehung gegeben, und dieser Same der Anfang der von ihm beweinten groben Verbrechen sei. Ist aber David schon bei der Empfängnis verderbten, sündhaften Wesens gewesen, wer unter allen Menschen wird sich von der Erbsünde freisprechen können, welche der Stammvater Christi, der doch ein Mann nach Gottes Herzen hieß, gehabt hat?


III.

 Allein nicht bloß die heilige Schrift bezeugt das Verderben des menschlichen Herzens, sondern es kann ein jeder, welcher sich und andere Leute kennt, davon Zeugnis geben.

 1. Ist’s nicht wahr, daß der menschliche Verstand in Blindheit und Verkehrtheit wandelt? Ist’s nicht wahr, daß